Für game-changing Ideen braucht es mehr als Brainstorming
23. Februar 2018
Neue Ideen sind der Motor für Veränderung in der Wirtschaft. Doch wie kommen wir zu wirklich guten Ideen? Unsere Ideation-Experten stellen drei Faktoren vor, die Sie bei der Ideengenerierung berücksichtigen sollten.
Im Design Thinking-Prozess widmet sich ein ganzer Abschnitt dem Thema Ideation, also der Generierung neuer Ideen. Die HPI School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts benennt als Ziel der Ideation die Entwicklung möglichst vieler – auch verrückter und wilder – Ideen bezogen auf ein vorher definiertes Problemfeld. Diese Ideen gilt es anschließend zu clustern und zu bewerten.
Für die Ideenentwicklung werden häufig Kreativmethoden wie Brainstorming, Brainwriting, Reverse Thinking oder Analogy Thinking genutzt. Diese sollen das “kreative Denken” anregen und werden oft in einem vorher definierten zeitlichen Rahmen angewandt. Und auch wenn es das Geheimrezept für Kreativität noch nicht gibt, können wir im Ideation-Prozess viel mehr gestalten, als wir zunächst annehmen. Folgende drei Faktoren helfen dabei: Fachexpertise, mentale Downtime und die richtige Ideenauswahl.
1: Innovationen brauchen Fachexpertise.
Neue Ideen entstehen, wenn das Gehirn aus vorhandenem Wissen und Erinnerungen – gespeichert in semantischen Netzwerken – neue neuronale Verbindungen bildet und dadurch Konzepte neu verknüpft und aufbaut. Die Qualität der Ideen, die Menschen generieren, hängt also davon ab, wie viel Wissen und Erfahrung sie zu dem jeweiligen Thema bereits in ihren neuronalen Netzwerken gespeichert haben.
Innovationen sind zumeist das Resultat jahrelanger Beschäftigung mit dem entsprechenden Thema. Steve Jobs sagte einst: “If you really look closely most overnight successes took a long time”. Vincent Walsh, Professor für Human Brain Research am Institute of Cognitive Neuroscience, nennt es sogar thematische “Obsession”. Ob Einsteins Relativitätstheorie oder Paul McCartneys Hit “Yesterday” – beide “Einfälle” stützen sich auf jahrelange Expertise und wiederkehrende kognitive Aktivitäten in der jeweiligen Disziplin. Walsh weist zudem darauf hin, dass Menschen, die zuvor bereits an einer Idee gescheitert und daraus gestärkt hervorgegangen sind, später meist mit den wichtigsten, bahnbrechenden Ideen aufwarten.
2: Unser Gehirn braucht “Downtime”.
Oft entstehen gute Ideen spontan beim Sport oder beim Spaziergang in der Natur. Das ist kein Zufall. Die Verknüpfung neuer neuronaler Verbindungen geschieht meist, wenn sich das Gehirn in einem entspannten Flow-Zustand befindet, sozusagen “offline” geht. Forschungen zeigen beispielsweise, dass Menschen kreativer sind, nachdem sie Tagträume hatten, phantasieren oder ihre Gedanken wandern ließen. In diesen Phasen, in denen wir uns auf nichts bewusst fokussieren, ist unser Default Mode Network (DMN) aktiv.
In solch einer “Downtime” sind wir also nicht etwa ineffizient, sondern geben unserem Gehirn die Möglichkeit, Erfahrungen zu verarbeiten, Erinnerungen zu festigen oder den Verstand bei Blockaden aufzufrischen. Anschließend kann man sich dann wieder fokussiert einem Problem widmen. Für das Gehirn ist der Mix aus Aktivität und Ruhephase wichtig. Charles Dickens beispielsweise schrieb seine Romane zwischen 9 und 14 Uhr. Danach machte er einen ausgedehnten Spaziergang, um seine Gedanken zu ordnen.
3: Ideen brauchen Umsetzung.
Damit eine Idee überhaupt die Chance auf Umsetzung bekommt, muss sie aus der Vielzahl von Ideen ausgewählt werden. Während zur Ideen-Entstehung der “Offline”-Modus förderlich ist, kommt es bei der Ideenbewertung und -auswahl darauf an, die kognitive Kontrolle wiederzuerlangen und “online” zu gehen. Dabei ist insbesondere ein Gehirn-Netzwerk aktiv, das sich “Central-Executive Network (CEN)” nennt und für die Kontrolle der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses zuständig ist.
Unsere mentale “Exekutive” kann allerdings nur eine kleine Menge an Informationen gleichzeitig verarbeiten. Welche das sind, hängt sehr stark von unserer Wahrnehmung und Aufmerksamkeit ab. Immer wenn wir tief in die Verarbeitung eines Themas eintauchen, werden wir buchstäblich blind gegenüber anderen Dingen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern würden. Zudem verschlechtert sich unsere Leistung, wenn wir versuchen, mehrere Aufgaben gleichzeitig auszuführen.
Diese drei Faktoren – Fachexpertise, Downtime fürs Gehirn und die Ideenauswahl – spiegeln sich auch in unseren kognitiven Prozessen wider. Hier ist nicht nur das Zusammenspiel zwischen linker, logischer und rechter, kreativer Gehirnhälfte entscheidend. Vielmehr geht es um die Synchronität zwischen verschiedenen Systemen, die für die Kreativität wichtig sind. Je nach Stadium des kreativen Prozesses und dem, was Sie tatsächlich erreichen möchten, werden verschiedene Hirnregionen aktiviert, um die Aufgabe zu bewältigen. Diese Überlegungen gilt es, in einen Ideation-Prozess mit einzubeziehen. So werden aus guten Ideen wirklich “game-changing” Ideen.
* Pflichtfeld