Dorothee Bär: “Es wäre schön, wenn wir den Bedenkenträgermantel abwerfen würden.”
14. November 2019
Im Interview mit Philipp Depiereux spricht Dorothee Bär über die Ergebnisse der etventure Studie 2019, ihre politischen Ziele und die Chancen Deutschlands bei der Digitalisierung.
Liebe Dorothee Bär, die aktuelle etventure Studie hat ergeben, dass erstmals seit 2016 die strategische Bedeutung der Digitalen Transformation in Bezug auf die drei wichtigsten Unternehmensziele sinkt. An welche Stelle gehört die Digitale Transformation aus deiner Sicht?
Auf jeden Fall unter die Top 3, denn die Digitalisierung birgt immer noch riesige Potenziale. Das gilt zum einen für die Effizienz der Unternehmen und zum anderen für neue Produkte „Made in Germany“, also für neue Arbeitsplätze. Bei vielen Großunternehmen gehört die Digitale Transformation bereits selbstverständlich zum Alltag. Auch bei kleineren und mittelständischen Unternehmen hat sich viel getan, hier sehe ich allerdings nach wie vor den größten Nachholbedarf.
Wir haben die Unternehmen gefragt, welches die größten Hürden sind. Die wichtigsten Herausforderungen waren „fehlende qualifizierte Mitarbeiter mit Digital-Know-how“, „fehlende Zeit“ und „die Erfahrung zur digitalen Umsetzung von Produkten und Prozessen fehlt.“ Was empfiehlst du diesen Unternehmen, die sich hier wiederfinden?
Hier sind vor allen Dingen die Unternehmen selbst gefragt. Sie müssen der Digitalisierung erste Priorität einräumen und sie top-down implementieren. Je länger sie damit warten, desto größer wird das digitale Defizit. Das können wir uns nicht leisten. Wir müssen aber auch frühzeitig in digitale Bildung und Weiterbildung investieren. Das muss schon in der Schule beginnen. Jedes Kind sollte Programmieren lernen. Jeder Mitarbeiter braucht Angebote für digitale Weiterbildung und sollte diese nutzen.
Unternehmen fokussieren sich stark auf die Digitalisierung analoger Prozesse oder schon vorhandener Geschäftsmodelle statt auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsfelder. Auf diese Weise entsteht in Deutschland doch eher kein relevanter Digital Player, oder?
Wir brauchen mehr Mut zu disruptiven Geschäftsmodellen. Digitalisierung ist nicht zuerst ein Technikwandel, sondern ein Kulturwandel. Digitalwirtschaft ist deshalb etwas anderes als eine Werkbank mit Internetanschluss. Deswegen müssen wir auch die Lücke zwischen Forschung und Anwendung schneller schließen. Wie sind beispielsweise im KI-Bereich in der Grundlagenforschung weltweit führend. Es ist an der Zeit, dass wir dieses Know-how in Deutschland auch für neue Produkte und Geschäftsmodelle nutzen.
Welche Maßnahmen bestimmen aktuell deine Agenda für 2019/2020?
Konkret haben wir zum Beispiel am 15. November 2018 die Umsetzungsstrategie Digitalisierung auf den Weg gebracht. Sie dient als klares politisches Leitbild zur Gestaltung des digitalen Wandels. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie für die Bürgerinnen und Bürger. Ziel der Umsetzungsstrategie ist es, die Lebensqualität für alle Menschen in Deutschland weiter zu steigern. Zu den über 100 Projekten der verschiedenen Ministerien gehören zum Beispiel der Digitalpakt Schule, das Onlinezugangsgesetz, das vorsieht, dass bis Ende 2022 alle 575 digitalisierbaren Behördenleistungen online verfügbar sein müssen, oder eben die KI-Strategie.
Was motiviert dich, was treibt dich an, jeden Tag ins politische Gefecht zu gehen, um Deutschland bei der Digitalen Transformation voranzubringen?
Mich treibt an, dass wir als digitale Bundesrepublik Weltmarktführer werden, und zwar dadurch, dass wir von einer erfolgreichen Industrienation den Sprung bzw. die Transformation in eine erfolgreiche Digitalnation schaffen, aber unter den Aspekten, die uns heute schon wichtig sind. Das heißt nämlich auch, das Thema Werte, das Thema Ethik zu berücksichtigen und keine rein technikgetriebene Diskussion zu führen.
Das vollständige Interview in der etventure Studie 2019 weiterlesen.
Dorothee Bär spricht darüber hinaus über ihre persönlichen Herausforderungen, geplante Maßnahmen der Bundesregierung und die Zukunft Deutschlands 2030.
Seit März 2018 ist Dorothee Bär (CSU) Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. Bis 2022 möchte sie unter anderem die Verwaltung in Deutschland und somit alle staatlichen Dienstleistungen digitalisieren.
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