Cognitive Biases – So unzuverlässig denken wir
09. März 2018
Cognitive Biases (auf deutsch: Kognitive Verzerrungen) sind meist unbewusste, systematische Verzerrungen in unseren Wahrnehmungen, Entscheidungen und Urteilsfindungen. Unsere Ideation-Experten zeigen, warum Biases bei der Ideengenerierung relevant sind und geben Tipps, wie ihr Einfluss reduziert werden kann.
Heuristiken: Abkürzungen des Gehirns
Täglich werden über 5 Trillionen Bytes an Daten generiert – mit steigender Tendenz. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden 90 Prozent des heutigen Datenbestandes der Welt erzeugt. Unser Gehirn hingegen ist das Ergebnis einer langen evolutionären Entwicklung und kann mit der Komplexität und Schnelligkeit unserer Umwelt nur schwer Schritt halten. Laut Daniel Kahneman spielen sich unsere kognitiven Prozesse in zwei Systemen ab: System 1, unser Autopilot, arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung. System 2 führt langsame, sequenzielle Denkprozesse aus, ist sehr viel schwerfälliger und in seiner Verarbeitungskapazität beschränkt.
Einerseits ist da also eine enorme Menge an Informationen, die uns umgibt. Andererseits sind wir gezwungen, auch in unsicheren Situationen schnell zu handeln. Daher greift unser Gehirn – das System 1 – auf unbewusste, routinierte Denkprozesse zurück und arbeitet auf Grundlage bestehender Überzeugungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Diese mentalen Abkürzungen werden Heuristiken genannt.
Diese kognitive Strategie liefert schnelle, sichere Lösungen und vereinfacht die Urteilsfindung. Das sichert zwar das Überleben, fördert aber bei weitem keine Innovation. Denn obwohl Heuristiken in vielen Fällen effizient und sinnvoll sind, führen sie unter bestimmten Bedingungen zu systematischen Fehleinschätzungen – sogenannten kognitiven Verzerrungen oder auch Biases. Bei der Ideenfindung hemmen sie kreatives und innovatives, insbesondere divergierendes, Denken.
Relevante Biases kennen und verstehen
Der erste wichtige Schritt ist getan, wenn man sich der Biases bewusst wird und dem eigenen Denken skeptisch gegenübersteht. Anschließend gilt es, die wichtigsten Biases genau zu kennen und zu wissen, wann sie auftreten können. Für den Ideation-Prozess sind folgende fünf Biases besonders relevant:
- Der Anchoring Bias beschreibt den Einfluss bereits bekannter Informationen auf unsere Entscheidungsfindung.
Äußert eine Person in einer Brainstorming-Session zu Beginn einen bestimmten Aspekt, kann es passieren, dass sich alle weiteren Ideen um die erste Äußerung herum verankern, anstatt davon unabhängig zu sein.
- Der Bandwagon Bias besagt, dass wir uns – durch das Bedürfnis konformistisch zu sein – beliebten Ideen und Gruppen anschließen.
Wird ein Punkte-Voting der Ideen offen vor der Gruppe ausgeübt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Ideen, die bereits viele Punkte haben, eher gewählt werden als die Ideen, für die noch niemand gestimmt hat.
- Der Framing Bias drückt aus, dass wir uns davon beeinflussen lassen, ob Informationen subjektiv gut oder schlecht präsentiert werden.
Wird eine Idee bei einem Ideation Workshop am Abend präsentiert, wenn alle Teilnehmer müde sind und der Vortragende wenig enthusiastisch wirkt, wird die Idee womöglich schlechter bewertet, als bei Sonnenschein, wenn alle Teammitglieder fit sind und die Präsentation motivierend vorgetragen wird.
- Der Confirmation Bias beschreibt die Tendenz, Informationen zu bevorzugen, die bereits bestehende Überzeugungen oder Vorurteile in uns bestätigen.
Gilt es zu entscheiden, mit welchen Ideen in die weitere Umsetzung gegangen wird, ist es wahrscheinlich, dass eher subjektiv die Idee gewählt wird, die den Überzeugungen der Beteiligten entspricht, als objektiv neue Ideen zu bewerten.
- Die funktionale Fixierung zeigt, dass wir Dinge nur in ihrer üblichen Funktion betrachten und damit neue Verwendungsmöglichkeiten ausschließen.
Wird eine Ideation für eine Weiterentwicklung bestehender Anwendungen durchgeführt, besteht die Gefahr, dass diese Anwendung nicht für andere Funktionen in Betracht gezogen wird. Vor 10 Jahren etwa war das Handy ausschließlich ein Kommunikationsmedium, an den Kamera-Einsatz dachte niemand.
Biases überwinden
Mentale Abkürzungen sind nicht immer schlecht. Sie helfen uns in vielen Lebenssituationen, sichere, unkomplizierte Wege zu gehen. Bei einer Ideation, die das Ziel verfolgt, innovativen Outcome zu produzieren, sind sie jedoch ein Hindernis. Daher gilt: Erkennen, verstehen, angreifen! Nicht alles wird sich unmittelbar im nächsten Workshop umsetzen lassen. Die Minimierung von Biases erfordert kontinuierliche Übung und Zeit – aber das Ergebnis lohnt sich. Die folgenden Techniken helfen Ihnen dabei, relevante Biases zu erkennen und zu vermeiden:
* Pflichtfeld