Das Testing Mindset – Auf der Suche nach dem Product-Market-Fit
26. Juni 2018
“Es gibt einen Weg, es besser zu machen. Finde ihn!” – Thomas Edison
Bei etventure haben wir in zahlreichen Innovationsprojekten viele verschiedene Ansätze getestet. Und es hat sich immer wieder bestätigt: Erfolg ist nicht planbar. Man muss sich dessen jederzeit bewusst sein. In der innovativen Produktentwicklung beruhen die meisten unserer Entscheidungen auf Annahmen. Das Ziel ist es also, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, um diese Annahmen zu testen. Je geschickter man solche Tests konzipiert, desto besser werden die Chancen auf Produkterfolg. Im Folgenden möchte ich unsere fünf wichtigsten Erkenntnisse skizzieren.
Product-Market-Fit kann man nicht planen
72 Prozent der innovativen Softwareprojekte scheitern im ersten Versuch – Chaosbericht 2015
Diese Erkenntnis ist nicht überraschend. Trotzdem haben wir immer wieder festgestellt, dass viele Menschen intuitiv davon ausgehen, dass dieses Phänomen nur auf alle anderen zutrifft. Das stimmt natürlich nicht. Selbst Projekte, die theoretisch perfekt durchgeführt wurden, scheitern – zumindest aus wirtschaftlicher Sicht.
Deshalb muss man die Messkriterien für Erfolg, insbesondere bei der Entwicklung innovativer Produkte, anders definieren. Am Ende geht es fast immer darum, den Product-Market-Fit zu finden. Anders formuliert, versuchen wir eine Lösung zu entwickeln, die die Geschäftsziele mit den Kundenbedürfnissen in Einklang bringt. Diese Übereinstimmung zu finden, ist die ultimative Herausforderung in der innovativen Produktentwicklung.
Der Erfolg eines innovativen Projekts bemisst sich also nicht in erster Linie an der Softwarequalität, dem Umsatz oder dem ROI, sondern an den gewonnenen Erkenntnissen. Auch herauszufinden, was nicht funktioniert, ist wertvoll. Nicht jeder Versuch führt automatisch zum finanziellen Erfolg. Stattdessen müssen viele kleine Tests durchgeführt werden, um den Weg zum Product-Market-Fit zu finden.
Die Kosten des Scheiterns reduzieren
Die Rechnung ist einfach. Je weniger Aufwand, Geld und Reputation es kostet, um eine bestimmte Annahme zu testen, desto mehr Versuche kann man sich leisten, um das Produkt anzupassen, zu erweitern, zu verwerfen oder komplett neu aufzubauen.
An dieser Stelle ist es sehr wichtig anzuerkennen, dass es nicht allein ausreicht, die beste Idee zu finden. Ideen gibt es wie Sand am Meer: Social Networking war keine einzigartige Idee (Myspace, studiVZ, etc.). Der Online-Versand war keine einzigartige Idee (WebVan, bücher.de, etc.). Das Internet durchsuchbar zu machen, war auch keine einzigartige Idee (Altavista, Yahoo, etc.). Alle diese Ideen erfüllten ein spezifisches Kundenbedürfnis und trotzdem waren die Unternehmen nicht nachhaltig erfolgreich.
Letztendlich kommt es auf die Umsetzung an. Und damit ist nicht nur die Implementierung der Software gemeint, sondern der gesamte Prozess, bei dem aus vielen guten und schlechten Ideen Schritt für Schritt ein herausragendes Produkt entsteht. Auf keinen Fall hätte beispielsweise das Facebook-Projektteam vorher genau wissen können, was funktionieren würde und was nicht. Jede neue Funktion ist eine Wette und erfordert eine Investition. Und je weniger Geld man zum Testen einer Annahme benötigt, desto mehr solcher Wetten können abgeschlossen werden.
In diesem Zusammenhang muss auch noch einmal festgestellt werden, dass die viel zitierte Startup-Maxime “Fail fast, Fail often” den falschen Akzent setzt. Das Ziel ist nicht, so viele Wetten wie möglich so schnell wie möglich zu verlieren. Das Ziel ist es, die Kosten des Scheiterns zu reduzieren, um die Gesamtzahl der Wetten zu erhöhen. Es geht um das “Fail cheap”.
Investitionen priorisieren
In der Regel findet man den Product-Market-Fit nicht einfach, indem man zufällig so viele Annahmen wie möglich testet. Man muss seine Investitionen auch gut priorisieren. Die meisten Hypothesen zu einer Produktidee fallen in eine von fünf Kategorien. Diese sollten in der richtigen Reihenfolge geprüft werden. Wenn man eine dieser Kategorien überspringt, kann das dazu führen, dass man das Ziel komplett verfehlt.
Interesse
Interessiert sich jemand für die Produktidee? Gibt es schon Leute, die versuchen, das Problem zu lösen? Würden sie die Lösung testen oder weiterempfehlen?
Erreichbarkeit der Zielgruppe
Erreiche ich meine Zielgruppe? Im B2C-Bereich kann dies ganz einfach getestet werden, z.B. durch gezielte Anzeigen oder durch die Ausgabe von Flyern. Im B2B-Bereich ist die Frage nach der Reichweite manchmal schwieriger zu beantworten. Oft müssen dabei auch rechtliche, politische oder strukturelle Zwänge berücksichtigt werden. In jedem Fall ist das beste Produkt wertlos, wenn man keinen Zugang zur Zielgruppe hat.
Zahlungsbereitschaft
Dabei geht es nicht allein um die Monetarisierung. Viel wichtiger ist, ob Anwender generell bereit sind, in das Produkt zu investieren. In Form von Geld, Zeit, Aufmerksamkeit oder Reputation. Auch eine Facebook-Empfehlung kann als Indikator für Zahlungsbereitschaft verwendet werden. In jedem Fall muss man sich über das konkrete Nutzerversprechen im Klaren sein, um die richtigen Messkriterien anzulegen.
Technische Machbarkeit
Erst wenn die Kosten für eine manuelle Bearbeitung höher sind als die Kosten für die Entwicklung einer digitalisierten Lösung, lohnt es sich, Geld in die Software-Entwicklung zu investieren,. Solange man die Dinge manuell handhaben kann, lässt sich noch leicht der Kurs ändern. Sobald man Software entwickelt, werden Anpassungen teuer.
Skalierbarkeit
Erst wenn es eine digitale Lösung gibt und die Zahlen zu Traffic, Downloads oder aktiven Benutzern wachsen, lohnt es sich, über die Skalierung nachzudenken. Es besteht keine Notwendigkeit, eine Infrastruktur aufzubauen, die 100.000 Benutzer verwaltet, wenn man noch immer vergeblich auf die ersten 100 wartet. Ja, das bedeutet, dass man vermutlich Teile der Software neu entwickeln muss. Aber etwas neu zu entwickeln, von dem man sicher weiß, dass es genutzt wird, ist viel besser als aufwändig etwas zu entwickeln, nur um herauszufinden, dass man es von Anfang an nicht gebraucht hat.
Fokussierung auf Outcome statt Output
Abschließend noch eine der wichtigsten und zugleich am schwierigsten umzusetzenden Erkenntnisse: absoluter Fokus auf Outcome und nicht auf Output.
Zur Erklärung: Der Output beschreibt eine konkrete Arbeitsleistung, während der Outcome die dadurch erzielten Ergebnisse in Bezug auf das Projektziel beschreibt. Ein Maler, der 10 Bilder malt und diese für jeweils 1 Euro verkauft hat einen hohen Output und einen geringen Outcome. Ein Maler, der ein Bild malt und dieses für 100 Euro verkauft hat einen vergleichsweise geringen Output, dafür aber einen viel höheren Outcome.
Die Veröffentlichung der ersten Softwareversion ist demnach noch kein Grund zum Feiern. Erst wenn die ersten Kunden gewonnen, die ersten Zahlungen erhalten oder die ersten Annahmen bestätigt wurden, kann gefeiert werden. Die Software an sich ist wertlos, wenn sie nicht den gewünschten Outcome erzielt.
Und wenn wir schon dabei sind, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Software nicht das Produkt ist. Die Kombination von Prozessen, Kundenansprache, Geschäftsmodell UND Software ist das Produkt. Obwohl Uber eine sehr praktische Anwendung hat, wäre es nicht annähernd so erfolgreich, wenn man 30 Minuten auf einen Fahrer warten müsste.
Die Entwicklung eines innovativen Produktes ist viel mehr als lediglich die Ausführung von Software-Spezifika. Das Testing Mindset hilft dabei, die Erfolgschancen signifikant zu erhöhen.
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