Website-Icon EY etventure

“Wenn wir jetzt als Menschheit an den Herausforderungen wachsen, dann meistern wir auch die Klimakrise” – ForTomorrow im Interview

In unserer neuen Blogreihe #GREENLEADERS stellen wir positive Vorbilder und Leuchtturm-Projekte vor, die Mut machen, das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. Eine Frage, die viele Menschen beschäftigt: Wie sinnvoll ist eigentlich die CO₂-Kompensation? Wir haben ein junges Startup gefragt, das sich genau damit befasst: ForTomorrow. Die beiden Gründer Patrick und Ruth verraten uns, warum wir Bäume pflanzen und Zertifikate kaufen sollten, ob die Coronakrise zu einem Erkenntniswandel führen kann und was sie motiviert.

Zwei Newcomer auf dem CO₂-Reduktions- und Kompensationsmarkt: ForTomorrow wurde von Patrick Koegel und Ruth von Heusinger im Herbst 2019 gemeinsam entwickelt und bietet effizienten und direkten Klimaschutz in Europa. Das Startup hilft Unternehmen und Privatpersonen auf einfache Art und Weise ihren nicht vermeidbaren CO₂-Fußabdruck zu kompensieren und ihre CO₂-Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen kontinuierlich zu reduzieren. Dafür kauft ForTomorrow Emissionszertifikate aus dem EU-Emissionshandelssystem, löscht diese zum richtigen Zeitpunkt und reduziert damit den CO₂-Ausstoß der Wirtschaft. Gleichzeitig unterstützen sie die klimarobuste Forstwirtschaft in Deutschland, indem sie Bäume pflanzen und stehen beratend zur Seite, wenn es darum geht, Reduktionsmaßnahmen vorzunehmen. Sie wollen also Privatpersonen und Unternehmen dazu befähigen, ein Teil der Lösung zu werden. Wir haben bei den jungen „Green Leader“ nachgefragt: Wie funktioniert das System der CO₂-Kompensation und was bewirkt es ganz konkret?

Euer Startup beschäftigt sich mit dem Thema CO₂-Kompensation. Ihr bietet eine Kombination aus der Pflanzung von Bäumen einerseits und dem Handel von Emissionsrechten andererseits an. Warum habt ihr euch für dieses Klimakonzept entschieden und wie funktioniert das konkret?

Patrick: Mit Blick auf die CO₂-Uhr des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) bleiben uns nur noch etwas weniger als acht  Jahre, um die Erderwärmung im globalen Mittel möglichst unter 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Ein ambitioniertes Ziel, welches effizienten Klimaschutz mit System benötigt. Mit der Teilnahme am europäischen Emissionshandel nutzen wir das zentrale Instrument der EU-Klimapolitik mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen unter möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu senken. Allerdings reicht es nicht mehr aus, den CO₂-Ausstoß lediglich zu reduzieren. Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist so stark gestiegen, dass der Klimawandel weitergeht, selbst wenn wir ab heute weltweit CO₂ neutral leben. Trotz neuer, vielversprechender Technologien ist derzeit das Pflanzen von Bäumen und der Erhalt der Wälder die effizienteste und kostengünstigste Maßnahme Emissionen aus der Atmosphäre zu absorbieren. Deshalb ist der Schutz und die Aufforstung heimischer Wälder, die zweite wichtige Komponente in unserem Klimakonzept.

Ruth: Unser Geschäftsmodell richtet sich an Privatkund*innen, als auch Unternehmen. Diese können bei uns verschiedene Klima-Abos abschließen, so dass wir hoffentlich bis Ende des Jahres über 500.000 Bäume pflanzen und zusammen so viele Emissionsrechte aus dem Markt nehmen, dass ein Kohlekraftwerk 100 Tage lang abschalten muss. Durch ein eigenes Klima-Konto können unsere Kund*innen direkt sehen, welche Klimawirkung ihr Abo erzielt, also wie viele Bäume gepflanzt werden und wie lange man ein Kohlekraftwerk zum Abschalten zwingt. Unternehmen können ihren CO₂-Fußabdruck gemeinsam mit ihren Arbeitnehmer*innen reduzieren und ausgleichen. Zudem werden wir zukünftig Privatpersonen und Unternehmen dabei unterstützen nicht nur zu Kompensieren, sondern auch durch verschiedene Maßnahmen sinnvolle Reduktionen, im Einklang mit den UN Sustainable Development Goals, herbeizuführen.

Wieso ist es aus eurer Sicht sinnvoll europäische Emissionswerte zu kaufen und damit stillzulegen? Welches System steckt dahinter?

Ruth: In der EU müssen zum Beispiel Kohlekraftwerke jährlich für ihren CO₂-Ausstoß Emissionsrechte kaufen. So wie man für die Entsorgung seines Mülls bezahlen muss, müssen die beteiligten Unternehmen für ihren CO₂-Ausstoß bezahlen. Allerdings ist die Menge an Emissionsrechten begrenzt. Die EU hat die Obergrenze so festgelegt, dass der CO₂-Ausstoß im Jahr 2030 40 Prozent unter dem von 1990 liegen wird. Es gibt also nur eine bestimmte Anzahl an Emissionsrechten. Die Emissionen werden jährlich erfasst und vom TÜV überprüft. Für diese Menge müssen dann Emissionsrechte eingereicht werden, ansonsten werden Sanktionen fällig. Wenn wir also Emissionsrechte kaufen, reduzieren wir damit die Rechte einer Industrieanlage CO₂ auszustoßen. Die Anlage muss also umrüsten, sodass sie weniger CO₂ verursacht oder abschalten. Das Ergebnis: In der EU wird insgesamt weniger CO₂ ausgestoßen. Da dieses Thema sehr komplex ist, unterstützt Herr Prof. Dr. Perino von der Uni Hamburg, die gemeinnützige GmbH ForTomorrow als wissenschaftlicher Beirat.

Es gibt auch kritische Stimmen zur CO₂ Kompensation – man solle sich nicht einfach nur “frei kaufen”. Wieso ist CO₂ Kompensation aus eurer Sicht so wichtig?

Patrick: Für das 1,5 Grad-Limit müssen laut UN-Umweltprogramm die weltweiten Emissionen von 2020 bis 2030 jährlich um stolze 7,6 Prozent sinken. Dafür muss das Ambitionsniveau der nationalen Klimabeiträge (NDCs), die die Länder für das Paris-Abkommen eingereicht haben, um mindestens das Fünffache steigen. Eine schier astronomische Zahl. Um die verlorenen Jahre, die wir vertrödelt haben, wieder aufzuholen, ist der freiwillige Kompensationsmarkt von Treibhausgasen aktuell enorm wichtig, da mit Geldern aus der Privatwirtschaft zusätzlich Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden können.

Fakt ist, dass wir deutlich schneller unsere Emissionen im privaten und wirtschaftlichen Bereich reduzieren und die heute nicht vermeidbaren Emissionen ausgleichen müssen. Ein Beispiel: Der durchschnittliche Deutsche stößt aktuell rund 11 Tonnen CO₂ pro Jahr aus. Klimaverträglich, laut Umweltbundesamt, ist allerdings lediglich 1 Tonne CO₂. Kompensation bedeutet demnach nicht sich “frei zu kaufen”, sondern vielmehr sich seiner heutigen Verantwortung bewusst zu sein.

Die freiwillige CO₂-Kompensation verschafft uns demnach etwas Zeit, ändert aber nichts an der Wichtigkeit unsere 1,5°C (max. 2,0°C) Reduktionsziele zu erreichen und ist in naher Zukunft hoffentlich überflüssig.

Ihr habt euch auch der Aufforstung der deutschen Wälder verschrieben. Hätte die Aufforstung des Regenwalds nicht mehr globale Auswirkungen?

Ruth: Das stimmt, der Regenwald kann ganzjährig wachsen und es wäre sogar kostengünstiger. Doch um eine positive Klimawirkung zu haben, ist bei Bäumen vor allem die Langfristigkeit entscheidend. Frisch gepflanzt nimmt der Baum nur wenig CO₂ aus der Luft. Je größer er wird, desto mehr CO₂ nimmt er auf. Es nützt dem Klima wenig, einen Baum zu pflanzen, wenn er nach ein paar Jahren vertrocknet, einem Waldbrand zum Opfer fällt oder nach politischen Entscheidungen gerodet wird, um das Land in wirtschaftlich attraktiveres Nutzland umzuwandeln. Denn dann gibt der Baum sein bereits aufgenommenes CO₂ wieder in die Atmosphäre ab. Leider gewährleisten viele Regierungen in den Regenwaldregionen keinen langfristigen Schutz der Wälder. Darum haben wir uns entschieden, in Deutschland aufzuforsten. In Deutschland sind die Wälder per Gesetz geschützt, zum Beispiel werden Waldbrände schnell gelöscht und illegale Abholzung wird unterbunden. Außerdem sind Waldbesitzer*innen verpflichtet nach einem Brand oder anderen Schäden die Flächen wieder aufzuforsten. So kann man sicher sein, dass neu gepflanzte Wälder wirklich langfristig zu einer Vergrößerung der deutschen Waldfläche beitragen.

Derzeit sorgt der Corona-Virus für einen weltweiten Stillstand. Auf Satellitenbildern sieht man nun bereits Veränderungen durch die verringerten CO₂-Ausstöße. Was denkt ihr über aktuelle Befürchtungen, dass Klimaschutz durch die aktuelle Pandemie wieder an Relevanz verlieren könnte?

Ruth: In Krisenzeiten läuft man Gefahr, sich auf altbewährtes zu verlassen: eine Abwrackprämie, um die Autoindustrie anzukurbeln oder neue Umweltauflagen zu lockern oder gar rückgängig machen. Doch jetzt ist es wichtig, die Corona- und die Klimakrise gemeinsam zu lösen. Wir kommen, durch den weltweiten Stillstand, dem 1,5 Grad-Limit etwas näher. In 2020 werden die weltweiten Treibhausgasemissionen wahrscheinlich um 5,5 Prozent sinken, so stark wie nie zuvor.

Patrick: Doch für das 1,5 Grad-Limit müssten sie sogar um 7,6 Prozent sinken, was wir trotz Lockdown nicht erreichen konnten. Wichtig ist nun, Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise mit ambitionierter Klimapolitik zu vereinen. Ein starkes Zeichen setzt hier das Klima-Konjunkturprogramm, initiiert durch die Stiftung 2°, in welchem 68 große deutsche Unternehmen an die Politik für eine krisenfeste Wirtschaft appellieren. Im aktuellen Petersberger Klimadialog hat sich Kanzlerin Merkel sogar für ein ehrgeiziges EU-Klimaziel eingesetzt, 50 bis 55 Prozent statt 40 Prozent Reduktion der EU-Emissionen bis 2030.

Welche Chancen seht ihr in der Krise?

Ruth: Jede Krise hinterlässt eine Geschichte. Wir müssen ihr allerdings zuhören und daraus lernen. Die Krise verstärkt die Chance, unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem neu zu erfinden, Gewohnheiten und Verhaltensmuster zu einem besseren zu ändern, neue Formen der Zusammenarbeit und Nähe zu finden und diese auch nach Corona weiter umzusetzen. Es werden zum Beispiel weltweit neue Fahrradwege im Rekordtempo gebaut, Geschäftsreisen werden durch Videokonferenzen ersetzt, verstärktes Homeoffice vermindert Pendelverkehr und auch im Privatleben merken wir, was wirklich wichtig ist und was überflüssiger Luxus. Außerdem macht uns die Verbreitung des Virus bewusst, dass wir durch den starken Eingriff in die Natur, uns selbst schädigen und Krisen, wie Corona erzeugen. Bereits 2007 wurde vor der Gefahr eines Coronavirus durch den Wildtierhandel gewarnt.

Patrick, du hast früher selbst bei etventure gearbeitet und hast viele Erfahrungen gesammelt, wie man digitale Geschäftsmodelle und Startups aufbaut. Was hast du aus deinen Jahren bei etventure mitgenommen, was dir bei deinem eigenen Startup jetzt hilft?

Patrick: In meiner Zeit bei etventure war ich für den Aufbau zweier Corporate Startups verantwortlich – Solidvest und OnSite ImmoAgent. Trotz der unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Branchen war in beiden Startups eine Sache die Wichtigste: Kundenzentrierung. Es ist sehr wichtig seine Produkt- und Serviceideen schnell und iterativ mit der potentiellen Kundschaft zu erproben und weiterzuentwickeln. Nur so kann die Wahrscheinlichkeit maximiert werden, ein Produkt zu entwickeln, dass nachhaltig einen hohen Wert für die Gesellschaft hat.

Was würdet ihr anderen Gründern raten – wie bleibt man motiviert und optimistisch?

Patrick: Sucht euch ein Thema aus, an welchem ihr auch in eurer Freizeit arbeiten würdet, eines das euch wirklich am Herzen liegt. Ein Thema, bei welchem ihr nicht merkt wie schnell die Zeit vergeht. Eins, an dem ihr auch arbeiten würdet, wenn ihr so reich wärt, wie Jeff Bezos. Eins, bei welchem ihr intrinsisch motiviert seid, langfristig eine Veränderung hervorzurufen. Wenn ihr einmal solch ein Thema gefunden habt, dann gibt es eine Vielzahl von Ideen und Projekten, die auf dieses Thema positiv einzahlen können. So widme ich mich beispielsweise nunmehr seit mehreren Jahren den UN Sustainable Development Goals und unterstütze etablierte Unternehmen und Startups bei der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle im Einklang mit diesen Zielen.

Ruth: Bei Durststrecken hilft es, zu visualisieren, dass man gerade kurz vor einem möglichen Erfolg steht. Im Gründer Alltag hilft, sich kurze Auszeiten zu nehmen, um wieder einen klaren Blick auf das Startup zu bekommen und schief gelaufenes gelassener zu betrachten. Was mir auch geholfen hat, war der Podcast „StartUp“ von Gimlet Media.

Was macht ihr eigentlich privat, um das Klima zu schützen und klimafreundlicher zu leben?

Patrick: Auch für mich, jemanden der sich beruflich intensiv mit dem Thema beschäftigt, beginnt die klimafreundliche Reise beim “bewusst sein”. Sich zu hinterfragen, was brauche ich und was nicht. Gemeinsam mit meiner Verlobten haben wir unseren privaten Konsum stark reduziert, kaufen Dinge aus zweiter Hand, versuchen Lebensmittelabfall zu vermeiden, ernähren uns hauptsächlich vegetarisch, achten auf die Saisonalität, unterstützen lokale Produzenten und beziehen ebenfalls “wirklich Ökostrom” von Polarstern. In der Stadt ist mein Fahrrad mein bester Freund, alternativ die Öffentlichen oder ab und an Sharing-Anbieter. Was mir mitunter am schwersten gefallen ist, ist die Reduzierung von Flugreisen, um Familie und Freunde zu besuchen oder einfach nur die Freiheit auf Reisen zu genießen. Innerhalb Deutschland fahren wir ausschließlich mit dem Zug, was prima funktioniert. Zudem unterstütze ich GermanZero, um Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen.

Ruth: Ja, das sieht bei uns recht ähnlich aus. Zudem kompensieren wir beide alle CO₂-Emissionen, die wir nicht vermeiden können.

Was macht ein “GreenLeader” für euch aus?

Patrick: “Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt. ” (Mahatma Gandhi) Jeder von uns kann diese Veränderungen vorantreiben, ein Green Leader sein, andere mit dem eigenen Verhalten inspirieren.

Ruth: Genau – egal ob dies einflussreiche Unternehmer sind, die Geschäfte auf unkonventionelle Weise machen, berühmte Personen wie Greta, oder gar dein Freund, der statt zu fliegen, die lange Bahnfahrt auf sich nimmt.

Und nun die letzte Frage: Ist die Welt eigentlich noch zu retten?

Patrick: Wir haben nicht mehr viel Zeit, doch noch können wir sogar das 1,5 Grad Ziel erreichen. Wichtig bleibt jedoch, dass wir die große Herausforderung des Klimawandels nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen an allen Aspekten der Klimagleichung arbeiten – Emissionen vermeiden und reduzieren, Kohlenstoffsenken unterstützen, sowie die Gesellschaft mit auf die Reise des Wandels nehmen.

Das heißt, es gibt drei miteinander verbundene Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht, den wir global, gleichzeitig und mit Entschlossenheit verfolgen müssen. Und selbst wenn wir das Ziel nicht erreichen, lohnt es sich, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen.

Ruth: Mut macht vor allem das Engagement der Schüler*innen. Mut macht auch, dass António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, so deutliche Worte verwendet, wie: „We face a direct existential threat.“

Die Menschheit hat bereits bedrohliche Situationen, wie einen Atomkrieg oder die Ausdünnung der Ozonschicht bewältigt. Und es scheint, dass wir auch die Corona Pandemie einigermaßen meistern. Wenn wir jetzt als Menschheit an den Herausforderungen wachsen, dann meistern wir auch die Klimakrise.

Danke euch beiden – weiterhin viel Erfolg beim Weltretten!

Ruth/Patrick: Danke!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt: 

Telefon: +49 (0)179 9737291
E-Mail: info@fortomorrow.eu

Die mobile Version verlassen