Innovation Unit: Wer sein Ziel nicht kennt, bleibt erfolglos
09. Februar 2021
Unabhängig von der Unternehmensgröße hat sich gezeigt: Innovation Units leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie das das perfekte Setup schaffen – einerseits, um das bestehende Geschäftsmodell zu digitalisieren, aber auch um neue digitale Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Allerdings: Innovation Units alleine sind kein Allheilmittel. Oftmals wird ohne hinreichende Zielvorgaben gearbeitet, die Strategie ist nicht klar und die Verbindung zur Gesamtunternehmensstrategie fehlt. Was sind die häufigsten Scheitergründe und welche Learnings lassen sich daraus ableiten? In der folgenden Beitragsreihe teilen wir fünf Erkenntnisse, die eine erfolgreiche Innovation Unit ausmachen. Teil eins: die gelungene Zielsetzung.
Im vergangenen Beitrag haben wir bereits darüber berichtet, wieso Innovation Units relevant für den Erfolg bei der digitalen Transformation sind. Ein Unternehmen geht immer große Risiken ein, wenn es an neuen, disruptiven Geschäftsmodellen oder innovativen Produkten arbeitet. Zahlreiche Erfolgsgeschichten wie die von kloeckner.i zeigen, dass ein „geschützter“ Raum gerade bei Digitalisierungsprojekten zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden kann. “Die Grundlage dafür ist eine von der Kernorganisation losgelöste Einheit, wie eine Digital- oder Innovation Unit, in der mit Innovationsmethoden wie Design Thinking und Lean Start-up gearbeitet wird: Ganz im Sinne des agilen Projektmanagements werden kreative Ideen und Prototypen getestet, erste Pilotprojekte umgesetzt und Feedback direkt vom Kunden eingeholt. So wird im ‘geschützten Raum’ innerhalb kürzester Zeit festgestellt, welche Produkte am Markt bestehen können.”, fasst es etventure Gründer Philipp Depiereux in seinem neuen Buch “Werdet WELTMUTFÜHRER” zusammen.
Und dennoch – vielen Unternehmen fällt es schwer, mit ihrer Innovation Unit erfolgreich zu innovieren. Erst kürzlich trennte der Autobauer Daimler sich von seiner Ideenschmiede Lab1886. Über einen möglichen Verkauf oder auch eine Schließung war schon vor langer Zeit immer mal wieder spekuliert worden. Aus dem Lab1886 ist einst unter anderem Daimlers Carsharing-Plattform Car2Go hervorgegangen. Doch die richtig große “Zündung” ist ihnen nicht gelungen, da keiner dieser Ideen einen konkreten Impact für die Kernorganisation geschaffen hat. Wir beobachten oftmals, dass bei Innovationsprozessen zahlreiche Fehler gemacht werden. So werden beispielsweise die Widerstände der Mitarbeiter schlecht gemanagt oder ein viel zu komplexes Produkt entwickelt. Dann werden die Ziele weder hinsichtlich Entwicklungszeit, noch aus Budget-Sicht eingehalten. Denn so selbstverständlich es erscheinen mag: Viele Organisationen scheitern mit ihren Innovationsvorhaben und -einheiten schlichtweg, weil sie kein klares Ziel und somit auch keinen konkreten Auftrag an die Innovation Unit formuliert haben.
Wer sein Ziel nicht kennt, kann die Segel nicht richtig setzen
Zu Beginn einer Innovation Unit wird oftmals versucht zu viel auf einmal zu erreichen, beispielsweise Transformation, Company Building, Venture Capital. Oftmals wird zunächst eine Vielzahl von hoch qualifizierten Menschen eingestellt. Die Profile sind zwar auf den ersten Blick passend (beispielsweise Entwicklung, Data Analytics), bei fehlendem Ideenmanagement und fehlendem Innovationsprozess verpufft deren Wirkung jedoch frühzeitig, weil sie in alle möglichen Richtungen arbeiten und Unternehmen die “eierlegende Wollmilchsau” wollen. Hinzu kommt, dass Unternehmen gerne versuchen einen Schritt zu überspringen.
“Intern besteht meist gar kein Konsens darüber, was disruptiv überhaupt bedeutet.”
Ungeachtet der eigentlichen Zielsetzung werden willkürlich Strategien formuliert, neue Gesellschaften für neue Geschäftsmodelle gegründet, ohne die Schmerzpunkte der Kunden wirklich ausreichend verstanden zu haben. Der Erwartungsdruck in der Chefetage wächst und die Hoffnung auf den schnellen Erfolg gleich mit. Man probiert sich mit Initiativen in alle Richtungen aus und versucht alle Arten von Innovation gleichzeitig abzudecken. Von der Optimierung des Kerngeschäfts bis hin zu Ideen für disruptive, digitale Geschäftsmodelle und Investitionen in Startups. Intern besteht jedoch meist kein Konsens darüber, was disruptiv überhaupt bedeutet. Diese Diskrepanz zwischen “Vision = disruptiv” und die Erwartungshaltung führen oftmals dazu, dass Projekte verfolgt werden, die einen sehr langen Zeithorizont haben, also einen sehr langen Atem benötigen, dann aber irgendwann nicht mehr konsequent weiter verfolgt werden.
“Innovations-Projekte und damit auch die Innovation Units müssen radikal an strategische und kommerzielle Unternehmensziele gekoppelt sein.”
Kann das Produkt oder der Service in dem Stadium anschließend nicht am Markt bestehen, also weder Umsatz noch relevante Daten oder in anderer Art und Weise einen positiven Effekt auf die Gewinn- und Verlustrechnung bringen, ist die Enttäuschung groß. Innovations-Projekte und damit auch die Innovation Unit müssen radikal an strategische und kommerzielle Unternehmensziele gekoppelt sein. Damit wird durch konkrete Rahmenparameter aufgezeigt, wohin die Reise geht oder vereinfacht gesagt: Umsatz steigern oder Kosten reduzieren? Nur durch signifikanten Beitrag zur “Top-Line” (Umsatz) oder “Bottom-Line” (Ergebnis) kann eine Innovation Unit mit den ihr verordneten Freiheiten agieren, den eigenen Fokus setzen und konkrete Ergebnisse und Mehrwert für die Organisation liefern.
Always start with “WHY”
Die Klärung der Frage nach dem “Warum?” ist essentiell für die erfolgreiche Umsetzung einer Innovation Unit. Die daraus abgeleitete Formulierung – die Vision – ist eine wichtige Basis, an der das Setup der Einheit selbst und alle zu treffenden Entscheidungen ausgerichtet werden. Es gilt zunächst, Motivationsgründe der Einheit festzulegen und davon konkrete Ziele abzuleiten.
Darüber hinaus ist eine klare Definition und ein einheitliches Verständnis erforderlich, was Innovation und Transformation für die eigene Organisation überhaupt bedeuten. Die Antworten auf diese Grundsatzfragen bilden das Herzstück, auf das sich konzentriert wird und von dem alle weiteren Aktivitäten abgeleitet werden. So wird sichergestellt, dass die Implementierungen auch tatsächlich Nutzen stiften und die Einheit selbst, sowie größere Projekte, nicht ausschließlich dem Selbstzweck dienen. Vielmehr muss es ihr Anspruch sein, mit den Projekten auf ein größeres Ziel einzahlen. Dieses große Ziel dient auch zur Bewertung des strategischen “Fits” für ersten Ideen.
Beispielsweise kann das “Warum” für eine Innovation Unit folgendermaßen formuliert sein: „Wir sind davon überzeugt, den Status Quo unseres Kerngeschäfts immer wieder in Frage zu stellen, um durch innovative Ideen und Projekte maßgeblich zum Unternehmenserfolg beizutragen.“
Aus der Formulierung wird deutlich, dass es darum geht, wirklich umsatz- und ergebnisrelevante Vorhaben umzusetzen.
Die Motivation ist hier rein wirtschaftlich begründet, zur Erfolgsmessung bieten sich klassische Kennzahlen wie Beitrag zu Umsatz und Ergebnis an. Wichtig hierbei ist auch von Beginn an klar zu stellen, ob dieser Beitrag kurz-, mittel- oder langfristig erwartet wird.
Insbesondere bei wirtschaftlich motivierten Vorhaben sollte sich das “Warum” der Innovation Unit direkt aus der unternehmensweiten Strategie des Unternehmens ableiten. Ein klares Zielbild und eine Vision sind die Grundlagen für die Positionierung der Einheit im Unternehmen und die Kommunikation in Richtung Kernorganisation. Sie sind erfolgskritisch, da die Einheit auf Akzeptanz im Unternehmen angewiesen ist. Die Mitarbeiter der Kernorganisation müssen verstehen, auf welche Punkte der Unternehmensstrategie das Team einzahlt, welche Art von Projekten hier bearbeitet werden und welche nicht. Die Innovationsschmiede von Daimler, Lab1886, wird vermutlich eben dort ihre Schwierigkeiten gehabt haben: Es reicht nicht, entfernt von der Kernorganisation neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, ohne auf die Unternehmensziele einzuzahlen. Die Einheit muss natürlich selbst dafür sorgen, sich auch über lange Zeit unantastbar zu machen. Abgestimmt mit dem Zielbild müssen verfügbare, personelle Ressourcen und das finanzielle Budget definiert werden, um sicherzustellen, dass die Strategie und Zielsetzung auch tatsächlich umgesetzt werden kann.
Wenn das Team im ersten Jahr alle gesetzten Ziele, Meilensteine und KPIs erreicht hat:
- zeigt sich der Mehrwert und Beitrag deutlich
- steigert sich das Management Commitment
- steigert sich die Akzeptanz in der Kernorganisation
Die Erfahrung aus unseren Projekten zeigt, dass zu Beginn kerngeschäftsnahe Innovationen sinnvoll sind, um über Leuchtturmprojekte schnell sichtbaren Impact für die Mitarbeiter und die Organisation zu schaffen. Als kerngeschäftsnahe Innovation bezeichnet man beispielsweise das Bedienen der eigenen Bestandskunden mit existierenden Produkten oder Services, beispielsweise über eine neue e-Commerce Plattform statt den klassischen Außendienst-Vertrieb. Idealerweise beinhaltet die Zielsetzung der Einheit die Umsetzung eines solchen Leuchtturmprojekts im ersten Jahr, passende realistische Ziele und KPIs zur Steuerung sind hierfür von Beginn an zu definieren.
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