Eine immer stärkere Vernetzung der Städte weckt unter dem Buzzword „Smart Cities“ große Hoffnungen in Bezug auf die Evolution der Städte. Solche Städte von morgen sind gigantische Hoffnungsräume. Viele Städte entdecken dabei den Trend der „Slow Cities“, bei dem sie wieder eine Balance finden wollen, zwischen Tradition und neuen Technologien. Wie sieht die Stadt von Morgen aus? Das Zukunftsinstitut hat sich in seiner neuen Trendstudie Futopolis: Stadt, Land, Zukunft genau mit diesem Thema befasst. Ein Beitrag von Janine Seitz.
Städte – über die letzten Jahrhunderte strahlen sie eine immer stärkere Anziehungskraft aus: Während im Jahr 1800 nur drei Prozent der Menschen einer Stadtbevölkerung angehörten, lebten 2007 bereits die Hälfte der Menschen in Städten. Sesshaftigkeit in Verbindung mit Landwirtschaft waren der Beginn einer Stadt. Heute ist die neue Vielschichtigkeit urbaner Welten der Beginn einer neuen Struktur. Schätzungen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass im Jahr 2100 über 11 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben werden. Davon werden 75 Prozent in Städten leben – dies entspricht etwa 7 Milliarden Stadtmenschen.
Doch wie werden sich Städte weiterentwickeln? Technologie alleine reicht nicht aus. Eine Smart City hat ihren Namen erst dann verdient, wenn mit Hilfe von Technologie ebenfalls die Lebensqualität der Menschen gesteigert wird. Denn sie muss nicht nur vernetzt, sondern vor allem sozial intelligent sein. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis der Menschen nach wieder mehr Verbindung von lokaler Tradition und kulturellem Erbe mit modernem Zeitgeist und Innovation. Diese Kombination wird immer häufiger zum Erfolgsrezept einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Die Sehnsucht nach einem vereinfachten Leben
Städte werden immer vernetzter und komplexer. Gleichzeitig sind diese Ballungsräume Dreh- und Angelpunkte wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung und zweifellos ein Hotspot der Zukunft. Schon 2030 werden sechs von zehn Menschen in einem urbanen Umfeld wohnen und arbeiten. Aber immer häufiger entwickelt sich aus der Schnelligkeit des Wachstums und des Wandels auch eine Überforderung der Menschen. Sich im Großstadt-Dschungel zurechtfinden zu müssen, wird vermehrt als Belastung und Alltagsstress wahrgenommen. Dabei ist es wenig verwunderlich, dass immer mehr Stadtbewohner nach einem Gegengewicht zum hektischen Lifestyle suchen. Diese Sehnsucht nach einem vereinfachten Leben, mehr Nähe zur Natur, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit: All diese Aspekte erhalten zunehmend Einzug in die Stadtentwicklung und beginnen bereits diese zu prägen.
Slow Citys versuchen sich genau diesen Bedürfnissen zuzuwenden und so zu einem spürbaren Anstieg der Lebenszufriedenheit und der urbanen Lebensqualität beizutragen. Die Cittaslow-Bewegung wurde 1999 im toskanischen Städtchen Greve gegründet (italienisch-englisches Kunstwort, frei übersetzt die “Internationale Vereinigung der lebenswerten Städte”) und findet immer mehr Anhänger. Weltweit, von Australien über China bis nach Südafrika und Nordamerika.
“Wir sind auf der Suche nach Städten, in denen Menschen leben, die neugierig auf die wiedergefundene Zeit sind, die reich sind an Plätzen, Theatern, Geschäften, Cafés, Restaurants, Orten voller Geist, ursprünglichen Landschaften, faszinierender Handwerkskunst, wo der Mensch noch das Langsame anerkennt, den wohltuenden Rhythmus der Jahreszeiten, die Echtheit der Produkte und die Spontaneität der Bräuche genießt, den Geschmack und die Gesundheit achtet.” (aus dem Cittaslow-Manifest)
Der Club der langsamen Städte
Dabei lauten die zentralen Prinzipien, denen sich die Orte verschrieben haben: Lebensqualität, Entschleunigung und Nachhaltigkeit. Dazu gehört nicht nur die Förderung des ansässigen Handels und Handwerks, der ökologischen Landwirtschaft sowie Verkaufsflächen für regionaltypische Bioprodukte. Auch die Nutzung moderner Umwelttechnologien, erneuerbarer Energien und umweltfreundlicher Verkehrssysteme sind Teil der Veränderung. Es geht darum die innerstädtische Mobilität durch Busse, Bahnen und Fahrräder zu fördern, Abfallkonzepte mit einem Kreislaufsystem einzusetzen. Auch die charakteristische Stadtstruktur soll erhalten bleiben ebenso wie die Menschlichkeit. Die Pflege von Beziehungen und Gastfreundschaftsinitiativen rückt wieder mehr in den Vordergrund. 71 Kriterien, gegliedert in sieben Handlungsfelder, umfasst die Cittaslow-Checkliste – sie gilt es zu erfüllen, um in den Club der langsamen Städte aufgenommen zu werden.
“Urbane Lebensqualität ist zukünftig somit kein “Entweder-Oder”, sondern die bestmögliche Ergänzung von Tradition und Innovation.“
Der Slow City-Ansatz will die lokale und regionale Identität urbaner Räume verteidigen. Dennoch geht es nicht um konservativen Lokalpatriotismus! Vielmehr soll wieder eine Atmosphäre der Weltoffenheit, Gastfreundschaft, Fortschritt und Zukunftsfähigkeit geschaffen werden. Lokale Ressourcen werden auf innovative Weise Teil regionaler Wertschöpfung. Moderne Slow-Strategien zielen auf eine Verschmelzung von Alt und Neu. Lokale Besonderheiten und Kulturgüter werden im Zeitgeist neu interpretiert, wobei der individuelle, traditionelle Charakter gewahrt bleibt.
Ein Vorzeigebeispiel ist die österreichische Stadt Hartberg– nach dem Motto “Città Slow demonstrates Smart City” wird auch gelebt: Die Stadt trägt neben dem Titel “Slow City” auch “Smart City”, weil versucht wird, durch intelligentere Lösungen und die Adaption moderner Technologien in den Bereichen Mobilität, Energie und Gebäude bis zum Jahr 2040 CO2– bzw. klimaneutral zu werden. Das Bedürfnis nach einer Lebensweise der Entschleunigung in der Stadt ließe sich also wahrscheinlich mit dem Wort “Balance” beschreiben – oder “tempo giusto”, wie man es aus der Musik kennt. Urbane Lebensqualität muss somit also kein “Entweder-Oder” sein, sondern die bestmögliche Ergänzung von Tradition und Innovation.
Wir berichten auf dem #GameChanger-Blog regelmäßig über Digitalisierung, neue digitale Geschäftsmodelle, Trends und Innovationen. Mit dem Zukunftsinstitut (https://www.zukunftsinstitut.de/) haben wir einen spannenden Partner gewonnen, die als Gastautoren hier nun unter dem Titel „Lust auf Zukunft?“ regelmäßig über die Megatrends und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft berichten und damit die Perspektive auf unsere Zukunft noch einmal zusätzlich erweitern.