Aus Bude wird Organisation, aus Gründer wird Geschäftsführer, aus Teams werden Abteilungen – wenn Startups wachsen, warten große Herausforderungen auf sie. Diese “Wachstumsschmerzen” stellen vor allem Gründer auf eine harte Probe.
Startups stehen gerade in der Anfangsphase unter enormem Druck. Sie müssen innerhalb kürzester Zeit Investoren überzeugen, Kunden gewinnen und knappe Budgets im Blick behalten. Das erklärte Ziel: Wachstum. Kein Wunder, dass interne Prozesse und Strukturen dabei meist auf der Strecke bleiben. Das ist auch gut so, denn gerade in der Gründungs- und Aufbauphase steht die Weiterentwicklung des Produkts im Vordergrund.
Ist aber erst einmal ein bestimmtes Wachstum erreicht, müssen Startups sich zwangsläufig auch mit sich selbst beschäftigen. Dann werden Strukturen und Regeln eingeführt, Entscheidungen delegiert und Hierarchien geschaffen. Gründer werden plötzlich zu Führungskräften. Der Unternehmenserfolg hängt dann ganz entscheidend davon ab, ob es gelingt, ein zukunftsfähiges Leadership-Modell zu etablieren. Doch wie meistern Startups die Wachstumsphase – und behalten gleichzeitig die Agilität und den Spirit, der sie ausmacht?
Goodbye Micromanagement
Viele Gründer haben sich mit ihrem Unternehmen einen Traum erfüllt, ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht, Erfolge und Rückschläge erlebt und mit Herzblut für ihre Idee gekämpft. Nun fällt es ihnen schwer, ihr “Baby” aus den Händen zu geben. Weil sie aber zeitlich und logistisch an ihre Grenzen stoßen, können sie nicht mehr jede Entscheidung selbst treffen. Sie müssen lernen, Aufgaben zu delegieren und die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen.
Micromanagement ist der größte Fehler, den Führungskräfte begehen können – leider aber auch der häufigste. Insbesondere in Stresssituationen neigen sie dazu, alles kontrollieren zu wollen. Das altbekannte Muster “Bevor sich meine Mitarbeiter einarbeiten, mache ich es einfach schnell selbst” nimmt Mitarbeitern die Motivation und beweist alles andere als Führungsstärke.
Coaching statt Direktiven
Die kreativen Köpfe der Generation Y wollen sich verwirklichen, Verantwortung übernehmen und unabhängig arbeiten. Das können sie nur in einer agilen Organisation, die statt starrer Hierarchien auf eine Netzwerkstruktur mit interdisziplinären, vielfältigen Projektteams setzt. Damit Startups langfristig attraktive Arbeitgeber bleiben, müssen sie trotz Wachstum die Agilität und Dynamik erhalten, die den besonderen Startup-Spirit ausmachen.
Das geht nur, wenn die Verantwortung an die Basis abgegeben wird. Moderne Führungskräfte übernehmen dabei die Rolle eines Coaches. Sie helfen ihren Mitarbeitern, ihre ganz persönlichen Stärken zu entdecken, sie weiterzuentwickeln und über sich selbst hinauszuwachsen. Eine gemeinsame Basis im Team realisiert man nicht mit Direktiven – sondern indem man mit dem Team eine klare Vision entwickelt und daraus Ziele ableitet. Das funktioniert beispielsweise mithilfe von OKRs – Objectives und Key Results. Sie helfen dabei, Ziele auf Unternehmens-, Team- oder Mitarbeiterebene zu definieren und den Fortschritt messbar zu machen. Ein guter Leader gibt seinen Mitarbeitern den nötigen Freiraum, den sie brauchen, um ihre Ziele auch wirklich selbstständig zu erreichen. Denn nur Menschen, die selbständig über ihre Arbeit entscheiden können, übernehmen auch wirklich Verantwortung.
Feedback und Austausch auf Augenhöhe
In jungen Unternehmen herrschen flache Hierarchien. Mit zunehmender Unternehmensgröße wird es schwieriger, ein Tischkicker-Match oder Feierabendbier mit dem Geschäftsführer in den Arbeitsalltag zu integrieren. Dennoch begegnen gute Führungskräfte ihren Mitarbeitern immer auf Augenhöhe und schenken ihnen vor allem Vertrauen. Denn das alleine schafft ein Umfeld, in dem Teams mit einem hohen Grad an Autonomie arbeiten können.
Wesentliche Assets einer modernen Führungskraft sind auch der Wille zum lebenslangen Lernen und die Demut, sich Fehler und Schwächen einzugestehen. Auch Gründer oder Geschäftsführer sind nicht allwissend und auf den Rat der Fachabteilungen angewiesen. Unternehmen sollten deshalb eine offene Feedback-Kultur leben – und zwar nicht nur von oben nach unten, sondern auch in der Management-Ebene. Regelmäßige Feedback-Runden helfen Führungskräften dabei, ihre Leadership-Kompetenzen kontinuierlich zu verbessern.
Das gilt übrigens für das gesamte Unternehmen: Viele Startups scheitern gerade in der Wachstumsphase, wenn die Strukturen immer komplexer und das Team immer größer werden. Spätestens dann sollten sie beginnen, sich selbst zu hinterfragen. Denn der Aufbau einer nachhaltig stabilen Organisation und Führungskultur kann zum entscheidenden Faktor werden, wenn es um die Existenz und den Erfolg des Unternehmens geht.