Wertschöpfung im digitalen Zeitalter – Monopolisierung, Vernetzung oder Untergang!
26. Februar 2020
Warum der deutsche Mittelstand jetzt handeln muss und wie digitale Plattformen dabei helfen können.
Plattformen sind das zentrale Geschäftsmodell der digitalen Ökonomie. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen arbeiten inzwischen als Interaktionsmanager zwischen Anbieter und Nachfrager. Weil die Plattformen viele Wettbewerbsvorteile gegenüber klassischen linearen Unternehmen besitzen, setzen sie sich auch in B2B-Märkten immer stärker durch. Anders als im Konsumentengeschäft, wo Amazon & Co. längst jeden Lebensbereich dominieren, hat das Rennen im Business-to-Business-Geschäft (B2B) um digitale Plattformen erst begonnen. Die traditionellen Player haben gute Chancen, sich mit eigenen Plattformen gegen die Tech-Riesen durchzusetzen. Warum und für welche Unternehmen der Einstieg in die Plattformökonomie jetzt essentiell ist und was die Alternativen sind, erklärt dieser Beitrag des etventure Plattform Competence Centers.
Die Digitalisierung verändert immer stärker die klassischen Wirtschaftssysteme. Alle Branchen sind mittlerweile betroffen und spüren die tiefgreifenden Auswirkungen. Denn die Art und Weise wie Wertschöpfung im digitalen Zeitalter betrieben wird, basiert zunehmend auf der Verknüpfung von Software mit der Hardware. Zwei Strategien liegen dem zugrunde: Die Monopolisierung der Wertschöpfung durch Beherrschung und Besitz der zentralen Elemente auf der einen Seite oder die intelligente Vernetzung von Wertschöpfungselemente in immer komplexer werdenden Ökosystemen auf der anderen.
Wie Ersteres funktioniert zeigt das Unternehmen Tesla eindrucksvoll. Alle Schlüsseltechnologien und wichtige Bauteile liegen bei Tesla, alles wird zentral durch Software gesteuert. Was Tesla von außen zukauft sind nur noch standardisierte Massengüter im klassischen Sinne. Dies erfordert natürlich ein breites Know-How, viel Kapitaleinsatz und auch eine Portion Glück bei der Wahl der langfristigen Unternehmensstrategie. Das haben die wenigsten Unternehmen. Der deutsche Mittelstand besitzt zwar wertvolles Industriewissen, aber die finanziellen Ressourcen sind begrenzt und Glück ist schlecht planbar.
Das Mittel der Wahl sollte gerade für den Mittelstand die Teilnahme an einer vernetzten Wertschöpfung sein
Vernetzte Wertschöpfung findet in sogenannten digitalen Ökosystemen auf globalem Level statt. Vorbild sind meistens US-amerikanische und asiatische Unternehmen im B2C-Segment wie Amazon, Uber, Alibaba oder Ping An Insurance, die durch intelligente Vernetzung von Produzenten mit Konsumenten sowie materiellen und immateriellen Produkten erfolgreiche Geschäftsmodelle etabliert haben. Diese Logik wird zunehmend für den B2B-Bereich erfolgsentscheidend, sonst droht der Untergang à la Kodak. Und es gibt aus Deutschland bereits erfolgreiche Vorbilder, darunter der Stahlhändler Klöckner, der etwa einen digitalen Marktplatz für den Stahlmarkt entwickelt hat, mit dem das Unternehmen heute schon Umsätze in Milliardenhöhe erzielt oder auch der Polymerhersteller Covestro.
Für den Mittelstand bedeutet das: Um auch in Zukunft eine führende Rolle im internationalen Markt zu spielen, muss er endlich aktiv werden und die traditionellen Mechanismen der Wertschöpfung hinterfragen sowie der Vernetzung in Ökosystemen anpassen.
Was bedeutet die vernetzte Wertschöpfung in digitalen Ökosystemen?
Als Ökosystem im klassischen wirtschaftlichen Kontext wird die Gemeinschaft aller wertschöpfenden Akteure in einer Branche verstanden sowie ihrer Beziehung zueinander. Im Zeitalter der Digitalisierung verschwimmen klar definierte Branchen und werden zunehmend dynamischer und damit immer komplexer. Maßgeblich getrieben wird diese Entwicklung durch veränderte Kundenwünsche und fortschreitende technologische und gesellschaftliche Entwicklungen. Kundenbedürfnisse werden unberechenbarer, weil sie sich immer stärker individualisieren. Diese zu bedienen erfordert maßgeschneiderte Produkte und Werteversprechen aus branchenübergreifenden, neuen Produkt-Service-Systemen außerhalb der klassischen Wertschöpfungsketten. Einzelne Unternehmen sind immer weniger in der Lage, diese wirtschaftlich skalierbar zu bedienen.
Daher ist das übergeordnete Ziel eines aufkommenden „digitalen“ Ökosystems für die wertschöpfenden Akteure: die Überwindung komplexer dynamischer Herausforderungen auf eine skalierbare und effiziente Art und Weise. Die anfangs genannten amerikanischen und asiatischen Unternehmen haben gezeigt, dass gezielte aus Nutzersicht aufgebaute Wertschöpfungsnetzwerke, die Bedürfnisse aller Beteiligten erfolgreich bedienen können.
Wer profitiert von Ökosystemen?
Bis 2025 sollen in diesen neuen Ökosysteme 30 Prozent der weltweiten Einnahmen generiert werden. Vor allem im B2C-Segment gibt es bereits zahlreiche Beispiele, während Ökosysteme im B2B-Bereich noch früh in der Entstehungsphase sind. Und doch lassen sich in fast jeder Branche bereits Indikatoren für diesen Wandel erkennen. Etwa im Logistikbereich, wo sich über zehntausend Unternehmen der verschiedenen Wertschöpfungsstufen (Produzent, Händler, Transporteure und Zoll) über eine Plattform des US Startups Flexport vernetzen lassen, um den Warenfluss effizient und transparent zu organisieren. Vertriebsplattformen wie die bereits erwähnte von Klöckner oder Lanxess Chemondis orchestrieren Anbieter und Nachfrager über traditionelle branchenspezifische Lieferketten hinaus. Die Plattformen wurden Schritt für Schritt mit 100% Fokus auf den Nutzen für sowohl Anbieter als auch Nachfrager aufgebaut. Ein weiteres Beispiel: In der gewerblichen Immobilien- und Bauwirtschaft finden sich Ansätze, über intelligente Vernetzung von Angeboten innerhalb eines Ökosystems, alles aus einer Hand anzubieten – von der Finanzierung, dem Erwerb bis zur Renovierung und Einrichtung.
Plattformen als Ausgangspunkt für digitale Ökosysteme
Die meisten Ansätze nutzen dabei denselben Ausgangspunkt für den Aufbau und Betrieb eines digitalen Ökosystems: eine digitale Plattform. “Es geht dabei um etwas Grundlegendes: Die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens langfristig zu sichern”, ist Klöcker-CEO Gisbert Rühl überzeugt. Und: “Plattformen werden zum dominierenden Geschäftsmodell des 21. Jahrhunderts – das war die Initialzündung für unsere Digitalisierungsstrategie.”
Die digitale Plattform vernetzt das Ökosystem in den Aktivitäten der Anbieter und Nachfrager auf Basis der passenden Technologie. Die Plattform ist das Instrument, um das komplexe dynamische System aus Kundenbedürfnissen und passenden Angeboten zu orchestrieren und abzuwickeln, denn sie bindet Partner, die den Austausch unterstützen und zusätzliche Dienstleistungen bereitstellen (etwa Zulieferer, Zahlungsanbieter, Logistiker) wertstiftend ein. Nach und nach knüpft die Plattform mit ergänzenden Produkten branchenübergreifend ein Gesamtsystem und kann dadurch ein Spektrum von Kundenbedürfnissen befriedigen. Den weiteren Ausbau sowie das Zusammenspiel von Anbietern, Nachfragern und weiteren Partnern optimiert der Plattformbetreiber.
Was der Mittelstand braucht, um erfolgreich zu sein
Digitale Ökosysteme, mit Plattformen als Instrument, werden zu einem festen Bestandteil der Unternehmenslandschaft. Ob als zentraler Betreiber, Anbieter, Partner oder in einer hybriden Rolle – für etablierte Unternehmen ist eine Plattform- und damit eine Ökosystemstrategie Voraussetzung um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.
Die aktuelle etventure Studie zeigt, zahlreiche traditionelle Unternehmen und Konzerne wiegen sich in Sicherheit. Digitalisierung bedeutet für viele traditionelle Unternehmen weiterhin „nur“ eine höhere Produktivität durch die Digitalisierung bestehender Prozesse. Innovation und neue Geschäftsmodelle spielen nur eine untergeordnete Rolle: Lediglich ein Fünftel der Maßnahmen in den Unternehmen (21 Prozent) zielen auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsfelder. Bedenklich, denn wer sich jetzt heraus hält, riskiert den Anschluss zu verpassen und überlässt die Wertschöpfung anderen.
Um sich innerhalb des Zeitalters der vernetzten Wertschöpfung zukunftssicher aufzustellen, brauchen Unternehmen ein strategisches Plattformkonzept. Sprich: die Einschätzung der Entwicklung von Branchen und Märkten und ein tiefes Verständnis über potentiell relevante Ökosysteme und ihre Handlungsoptionen in diesen. Welche ist die eigene Rolle im Ökosystem? Welche Synergien und Marktchancen gibt es, die eigenen Fähigkeiten und Unternehmenswerte mit den Kundenwünschen zu vereinen?
Obgleich es lukrativ scheint, zentraler Betreiber zu sein, ist jedoch nicht jedes Unternehmen für diese Rolle beschaffen. Auch als Partner lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen. Möglich sind darüber hinaus hybride Strategien, die parallel beide Ansätze verfolgen. In Bereichen mit sehr guter Marktposition werden eigene Ökosysteme entwickelt, in anderen Feldern auf Kooperationen mit Plattformen von Drittanbietern gesetzt. Durch Ökosystem-Mapping können Potentialbereiche frühzeitig erkannt werden, eine Zielvision legt die Entwicklungsrichtung fest. Ein Startpunkt ist grundsätzlich die eigene Branche, dann werden systematisch weitere Dienstleistungen integriert, die Kunden sonst dezentral beziehen würden.
Den Übergang zu einem digital gesteuerten Geschäftsmodell zu schaffen ist nicht nur wichtig, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen, es ist überlebenswichtig. So ergibt sich die Chance, mit der richtigen Strategie zur Positionierung innerhalb digitaler Ökosysteme und den richtigen Instrumenten zur Umsetzung, im Markt zu bestehen und weiter zu wachsen.
Über das Competence Center Platforms & Ecosystems
Das CC Platform & Ecosystems von etventure bündelt alle Kompetenzen für das Zeitalter der vernetzten Wertschöpfung. Es arbeitet dabei nicht nur in der strategischen Ausgestaltung und Zielbild-Formulierung, sondern setzt diese auch mit den Kunden, primär aus dem B2B-Bereich unterschiedlichster Branchen, um. Darüber hinaus befähigt das CC Unternehmen als auch externe wie interne Mitarbeiter mit einer Vielzahl von methodischen Werkzeugen und Herangehensweisen eigene plattform-basierte Projekte zu realisieren.
Autor: Sebastian Wolters, Leitung CC Platforms & Ecosystems
Co-Autoren: Christian Boettcher, Leitung CC Platforms & Ecosystems sowie Inga Stange, Expert Platform Value
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