Website-Icon EY etventure

Die Unternehmensvision – warum eine gute Vision das Fundament in Krisenzeiten ist

Vision

Keine politische Rede kommt ohne sie aus, bereits Denker und Dichter haben sich ihrer bedient, sie beflügeln Unternehmen und Mitarbeiter: Vision. In den meisten Visionen von Organisationen kommen allerdings weder Bilder noch klare Bezüge zur Zukunft vor. Doch warum sind gute Visionen für die Zukunft so wichtig? Ein Gastbeitrag vom Zukunftsinstitut

Das psychologische Verständnis von Visionen

Das psychologische Verständnis findet man vor allem im künstlerischen und religiösen Denken. Dabei wird eine Vision oftmals als inneres Bild begriffen, dass aus dem Un-, Unter- oder Nicht-Bewussten aufsteigt und ins Bewusstsein tritt. Künstler, Filmemacher, Poeten, Schriftsteller oder Maler, die in ihren Werken technische Erfindungen, soziale Verhältnisse oder ähnliches vorwegnehmen, werden solcherart zu Visionären. Sie verfügen über eine besondere Fähigkeit, sagt man, eine Begabung. Schleierhaft bleibt, woher Visionen kommen. Ihre Quelle liegt in unserem Innenleben, und die Kräfte, die hier herrschen, sind Emotionen.

Visionen hängen auch mit Inspiration und Intuition zusammen. Diese Phänomene scheinen sich aber zu überschneiden, was den Wert unserer Emotionen noch einmal erhöht. Emotionen und Visionen sind also verknüpft, und beide rühren an unsere Identität. Emotionen erzählen, was uns betrifft, was uns bewegt, was uns wichtig ist. Visionen, so könnte man ableiten, projizieren diese Emotionen in die Zukunft. Sie erzählen davon, mit welchen Themen wir in die Zukunft aufbrechen oder aufbrechen wollen. Was wird mir in Zukunft wichtig sein? Was wird mich in Zukunft bewegen? Die Antworten auf diese Fragen zeigen sich in Bildern, das ist das Eigentümliche an Visionen.

Zahlen zählen, Bilder erzählen

So viel lässt sich schon mal sagen: Visionen sind Zukunftsbilder; Bilder, die von der Zukunft erzählen. Das, was wir Zukunft nennen, wird dabei zur Projektionsfläche, zum Bildschirm. Die Bilder, die wir am Bildschirm sehen, sind Visionen.

Im allgemeinen sind Bilder sind mehrdimensional. Sie haben einen Vorder- und einen Hintergrund, ein Oben und ein Unten, ein Hell oder Dunkel, einen Mittelpunkt und einen Randpunkt. Sie unterscheiden große und kleine Elemente und können bestimmte Bildteile scharf stellen, während andere in der Bedeutungslosigkeit verschwimmen. Bilder codieren viele Ebenen unserer Wahrnehmung auf einem einzigen Informationsträger, dem Bild. Es ist eine Form, unsere menschliche Wahrnehmung der Wirklichkeit abzubilden.

Zahlen hingegen sind eindimensional, sie codieren entweder Quantität oder, wie im digitalen Codierungsverfahren, eine Qualität: Ja oder Nein, 0 oder 1. Zahlen haben schlicht gesagt keine Bedeutung, Bilder schon. Mehr noch: Bilder organisieren Bedeutung, sie vermitteln eine Perspektive auf die Wirklichkeit und erzählen sowohl über den Inhalt des Bildes als auch über den Autor des Bildes. Bilder sind menschlicher und sozialer als Zahlen. Sie verbinden uns in unserer menschlichen Sinnlichkeit, unseren humanen Gefühlen und unserer spezifischen Lebendigkeit, und sie bringen Farben ins Spiel. Sie emotionalisieren und können die Emotionen, die sie wecken, als Kräfte mobilisieren und einem Ziel zuführen. Und sie wirken unmittelbar. All diese Eigenschaften übertragen sich auf Visionen, was sie für die Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterführung prädestiniert. Das ist einer der Gründe, warum Visionen für Organisationen so interessant sind.

Das wirtschaftliche Verständnis von Visionen

Die psychologische Auffassung von Visionen ist in der Regel jedem Unternehmer oder Entscheider bekannt, sie ist Allgemeingut. Man weiß um den Zauber und die Kraft von Zukunftsbildern, auch wenn die Ursachen dieser Wirkungen weniger bekannt sind.

Im wirtschaftlichen Verständnis geht man pragmatischer mit der Vision um. In der Regel bezeichnet die Vision einer Organisation ihr Ziel, oder genauer: das Zielbild. Fakt ist aber, dass in den meisten Visionen von Organisationen weder ein Bild noch ein klarer Bezug zur Zukunft stecken. Die meisten Visionen formulieren Zielsetzungen, die im Geschäftsalltag zudem keine besonders große Rolle spielen. Aber hier gibt es Abstufungen.

Die Light-Version der Unternehmensvision

Am häufigsten untersteht die Unternehmensvision dem Marketing oder der Öffentlichkeitsarbeit. Sie soll – auf der Website, in der Unternehmensbroschüre und anderen Kommunikationsmitteln – zeigen, dass eine Organisation professionell aufgestellt ist, sich mit ihrer Zukunft beschäftigt, ihre Verantwortung ernst nimmt und auf Umwelt und Gesellschaft achtet. Die Unternehmensvision dient gleichermaßen der Imagepflege, sie hat vor allem einen symbolischen Wert. Man könnte von einer Light-Version sprechen, da die Vision in diesem Fall keine große Wirkung auf die Organisationsentwicklung hat. Dieser symbolische Wert kommt zum Beispiel auch zum Ausdruck, wenn Organisationen von neuen Eigentümern übernommen werden oder ein Führungswechsel ansteht.

Nicht selten überarbeiten neue Führungskräfte die Unternehmensvision oder präsentieren gar eine neue. Mit diesem Akt erheben sie offiziell ihren Führungsanspruch, es wird eine neue Ausrichtung der Organisation beschlossen, Mitarbeiter sollen aufgerüttelt und auf einen neuen Kurs eingeschworen werden. Ein Neuanfang steht bevor, er soll alle Kräfte mobilisieren. Doch auch in diesem Fall handelt es sich meist eher um einen symbolischen Akt, es bleibt bei einem gutgemeinten Anfang.

Die Pro-Version der Unternehmensvision

Zu größerer Wirkung gelangt die Unternehmensvision, wenn sie das Innenleben der Organisation mitgestaltet. Die Tatsache, dass Visionen Bilder definieren, ermöglicht es Organisationen, eine emotionale Identität, ein gemeinsames und einheitliches Selbstverständnis zu bestimmen und so das Denken und Handeln der Mitarbeiter im Alltag des Unternehmens auf ein Ziel auszurichten.

Dazu muss die Vision aber effektiv in die Unternehmenskultur integriert werden, und zwar in alle internen Prozesse. Auf diese Art und Weise kann eine Vision Sinn vermitteln, motivieren und zusammenhalten. Vor allem im Aspekt der Schaffung eines Zusammenhalts zeigt sich der soziale Charakter von Visionen. So liegt eine ihrer Hauptaufgaben darin, Menschen zu verbinden. Diese soziale Funktion von Unternehmensvisionen ist besonders wertvoll, wird aber selten hervorgehoben.

Zur Gänze ausgeschöpft ist das Potenzial einer Vision aber erst, wenn sie zur Grundlage der strategischen Führung und Navigation der Organisation auf Märkten wird. Visionen sind Zukunftsbilder: Sie verbinden eine Zukunftsorientierung mit sinnstiftenden und sozialen Bildern. Damit werden sie zum idealen Werkzeug dafür, die emotionale Identität der Organisation zu bestimmen und die Organisation virtuell auf Märkten der Zukunft zu positionieren.

In der Umsetzung der Vision wird diese Positionierung zum Zielbild, aus dem klare Zielsetzungen und Anweisungen für das tägliche Denken und Handeln abgeleitet werden können. Es sind Zielsetzungen und Anweisungen, die nicht nur das Selbstverständnis der Organisation betreffen, sondern auch jede strategische Entscheidung am Markt. Die Vision verbindet so gesehen das emotionale Innenleben der Organisation mit der emotionalen Dynamik auf Märkten der Zukunft.

Visionen schaffen mehr Verständnis als Zahlen. Auch das Zahlendenken verbindet die innere mit der äußeren Realität einer Organisation. In diesem Denken gilt, grob gesagt, dass die Zahlen wachsen sollen – sowohl die (schwarzen) Zahlen aus dem laufenden Geschäft der Organisation als auch die Wachstumsprognosen der Organisation auf ihren Märkten. Wenn die Wachstumsprognosen schrumpfen, schrumpfen in der Regel auch die schwarzen Zahlen von Organisationen – zumindest ist damit zu rechnen. Das Zahlendenken verbindet die Organisation also ebenfalls mit Märkten. Zahlen übertragen jedoch weder Bedeutung noch Sinn. Diese Unfähigkeit von Zahlen wird in Zeiten, in denen es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht, also in Krisenzeiten, besonders gut sichtbar. In solchen Zeiten erweisen Visionen einen besonders wertvollen Dienst, da sie mit ihrer Sinnhaftigkeit ein Fundament bereitstellen, das auch in unsicheren Zeiten trägt, und sie zudem einen Ausweg aus der Krise zeigen, der die Organisation retten kann – weil wir Menschen ohne Sinn und Bedeutung die Orientierung verlieren. Ist man sich als Unternehmen seiner Emotionen und inneren Kräfte bewusst und sieht, welche Emotionen und Kräfte den Markt bestimmen, kann man ganz andere Schlussfolgerungen für die Strategie der Organisation ziehen als aus der puren Erkenntnis, dass die Zahlen wachsen oder nicht mehr wachsen. Visionen ermöglichen deshalb eine viel kreativere und differenzierte, aber auch effizientere und effektivere Führung von Unternehmen, als es der bloße Blick auf die Zahlen erlaubt.

Die Kunst der Entwicklung von Visionen

Eine zukunftsorientierte und programmatische Vision zu definieren ist nicht einfach. Die größte Herausforderung liegt darin, das Angebot und die Strategie des Unternehmens an sozioökonomische Entwicklungen zu koppeln. Was können wir tun, das den Menschen und der Gesellschaft von morgen in ihrer Entwicklung nützlich ist? Wie kann unser Angebot die Menschheit voranbringen?

Denken Sie ruhig groß, Visionen dürfen groß gedacht und idealistisch sein. Sie sind ein Ausdruck unseres Wunsches und unseres stetigen Bemühens, die Welt zu verbessern – sowohl unsere persönliche als auch unsere gemeinsame. In dieser Weise bindet die Vision einer Organisation ihre emotionale Identität und ihr Angebot an ein gesellschaftliches Entwicklungsziel. Strategische Entscheidungen des Unternehmens orientieren sich fortan am gesetzten Entwicklungsziel. Das macht sie groß, visionär und vorbildlich. Unternehmen, die Visionen folgen, werden so zur treibenden Kraft einer fortschrittsorientierten Gesellschaft.


Wir berichten auf dem #GameChanger-Blog regelmäßig über Digitalisierung, neue digitale Geschäftsmodelle, Trends und Innovationen. Mit dem Zukunftsinstitut (https://www.zukunftsinstitut.de/) haben wir einen spannenden Partner gewonnen, die als Gastautoren hier nun unter dem Titel „Lust auf Zukunft?“ regelmäßig über die Megatrends und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft berichten und damit die Perspektive auf unsere Zukunft noch einmal zusätzlich erweitern.


Mehr über die Zukunft:

Die mobile Version verlassen