Gedanken zu digitaler Zusammenarbeit, vermeintlichem Chaos und analogen Glücksmomenten.
Vielerorts werden Pendlerströme aber auch die Menükarten in den Personalrestaurants dieser Tage wieder etwas üppiger. Nach dem flächendeckend verordneten Work-from-Home (WFH) Regime versprechen die vom Bundesrat beschlossenen Lockerungsschritte eine langsame Rückkehr zu einer gewissen Normalität.
Heisst dies also, dass wir alle wieder da anknüpfen, wo wir Anfang 2020 etwas abrupt aufgehört haben? Also volle Sitzungskalender mit dem damit verbundenen K(r)ampf um freie Konferenzzimmer, eigentümliche Bürogewohnheiten oder dem freitäglichen Fisch auf dem Speiseplan in der Kantine? Für die eiligen Leser, hier die Antwort in der gebotenen Kürze:
Nein, das werden wir nicht.
Für alle anderen hier bereits ein früher Spoiler: Lassen wir uns nicht täuschen, es wird nur vermeintlich eine Rückkehr zur alten Realität geben. Das neue Normal wird definitiv anders: agiler, digitaler und – dies vor allem – wohl auch gesünder.
‘Jedem grossartigen Wandel geht ein gewisses Chaos voraus’ – mit seiner berühmten Aussage prägte Deepak Chopra, der indisch-amerikanische Autor und Philosoph das New Age Movement. Seine Beobachtungen, dass wir Menschen mit grossen Veränderungen eigentlich viel besser und konstruktiver umgehen als angenommen, passen sehr gut in die aktuelle Zeit. Ökonomische Verwerfungen der globalen Pandemie und die sich auch deswegen weiter akzentuierende Digitalisierung fast aller Lebensbereiche prägt diese Epoche nachaltig.
Unsere Gesellschaft wurde gewissermassen dazu gezwungen, sich ultraschnell mit neuen, agil-digitalen Abläufen zu beschäftigen. Hätte man uns im Januar 2020 gefragt, ob die Menschen bereit sind, diese teilweise stark transformativen Veränderungen so rasant und konsequent anzunehmen, die Mehrheit hätte wohl verneint. Und doch haben Grossunternehmen, KMUs und die öffentliche Verwaltung im WFH-Regime über Monate hinweg sehr gut funktioniert. Menschen sind viel anpassungsfähiger und lernwilliger, als wir gemeinhin glauben.
Umgekehrt wurden wir in den vergangenen Monaten auch Zeuge von Grenzen dieser digitalen Möglichkeiten. Wir haben kollektiv die Erfahrung gemacht, dass digitale Werkzeuge einerseits sehr befähigend wirken. Gleichzeitig erkannten wir, wie wichtig Empathie, menschliche Nähe und der Austausch untereinander sind für die Produktivität und das Funktionieren von Teams.
In Bezug auf die persönliche Gesundheit haben Arbeitnehmer grossmehrheitlich vom verordneten Social Distancing profitiert. Der minimale Kontakt mit einer breiten Gruppe von Menschen reduziert die Ansteckungsgefahr, welche vom Covid19 Virus ausgeht, natürlich massiv. Umgekehrt klagen aktuell nicht wenige ‘Heimarbeiter’ über das Phänomen einer (ungewollten) Gewichtszunahme. Dies ist – ironischerweise – etwas das in Vor-Pandemiezeiten vorwiegend neueintretenden Mitarbeitenden von hippen Tech-Unternehmen vorbehalten war. Unter Zooglern (so nennen sich die Google Mitarbeiter in Zürich) sprach man beispielsweise vom ‘Google 8’-Syndrom. Die verführerische Nähe zu einladenden Mitarbeiterrestaurants, prall gefüllten Kühlschränken, Snackkörben und Schoko-Tankstellen (alles gratis und fast rund um die Uhr – notabene) in den vielgerühmten Büros des kalifornischen Internetkonzerns führte bei den meisten Neuankömmlingen dazu, dass die Waage nach wenigen Wochen durchschnittlich 8 Pfund mehr anzeigte als im Vor-Zoogler Leben. Es gibt zwar in der Schweiz noch keine verlässlichen Erhebungen über ein ähnlich gelagertes WFH-8 Syndrom. Aber allein die explodierende Anzahl an Pizzaschachteln und Essensverpackungen von Lieferdiensten in den Kartonsammlungen der Nachbarschaft lassen erahnen, dass eine solche These nicht allzu gewagt sein mag.
An Kalorien hat es uns im Heimbüro also offensichtlich nicht gemangelt. An technologischen Tools wohl noch weniger. Plötzlich stürzten sich alle auf Skype, Zoom oder Microsoft Teams. Wir erkannten, dass gewisse Sitzungen durchaus speditiver ablaufen, wenn sie virtuell stattfinden. Online-Bestellungen wurden von der Ausnahme zum Standard. Und wir pflegen Kontakte vermehrt über Chats. Bei allen Vorteilen verlieren wir aber etwas sehr Elementares ob all dieser Digitalität. Etwas, dass erstaunlicherweise noch immer sehr ‘analog’ daherkommt: unerwartete Glückmomente oder positive Zufälle.
In Englisch spricht man von «Serendipity». Momente, wo glückliche Zufälle geschehen, zum Beispiel beim Warten an der Kaffeemaschine, beim (unabsichtlichen) mit-einem-Ohr-mithören im Personalrestaurant, beim gemütlichen Schwatz am Firmenapéro oder beim gemeinsamen Herauslaufen aus dem Meeting. Überall dort, wo etwas nicht Planbares dazu führt, dass man zufällig eine relevante Information aufschnappt, zB über eine Initiative in einer anderen Abteilung mit Synergien zur eigenen Arbeit, oder schlicht eine wertvolle Idee gemeinsam entwickelt. Da Kommunikation und Kreativität wichtige Faktoren für die hohe Wirksamkeit einer jedem Organisation sind, sollten wir uns in gerade in der Nach-Pandemie Ära noch stärker dafür einsetzen, solche Zufallsbegegnungen weiterhin stattfinden zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich uns bei der Rückkehr ins Büro in den kommenden Wochen viele unerwartete Glücksmomente bei Begegnungen mit unseren Mitarbeitenden (geimpft, genesen oder negativ-getestet, natürlich). Um die vielleicht zugelegten Pfunde kümmern wir uns dann nach den Herbstferien, oder so… 😉