Mehr Wirtschaft wagen? Mehr Unternehmertum wagen!
19. Mai 2017
“Zielgruppe verfehlt” – So beurteilte das Handelsblatt die Reden der Politprominenz bei der Tagung “Mehr Wirtschaft wagen”, die von DIE FAMILIENUNTERNEHMER und DIE JUNGEN UNTERNEHMER vergangene Woche in Berlin veranstaltet wurde. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel waren unter anderem auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner vertreten, um mit rund 700 Gästen über die Zukunft der deutschen Familienunternehmen zu sprechen. Doch deren Aussagen blieben über weite Strecken unkonkret. Einen größeren Mehrwert lieferte etventure Gründer Philipp Depiereux mit seiner Rede, fand auch das Handelsblatt: “Die Mittelständler fühlen sich von ihm als Zielgruppe verstanden.”
Vorteile nutzen, Allianzen schmieden
“Die Zielgruppe Mittelstand ist zurzeit zahlungskräftig und bedürftig, wenn es um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle geht”, schreibt Handelsblatt-Redakteurin Anja Müller in ihrem Rückblick zur Veranstaltung. “Als einer der Pioniere dieser Entwicklung gilt Philipp Depiereux. Der Mitgründer der Digitalberatung etventure hat bereits mit Viessmann, Haniel, Klöckner und Co. Projekte realisiert. Ihm hören viele Unternehmer aufmerksam zu.” Das liegt daran, dass Depiereux gerne sagt, was er denkt und nicht um den heißen Brei herumredet. Und weil er Unternehmer ist, “der selbst einmal eine mittelständische Firma geführt und eine teure Innovation vergeigt hat […]”. Der Grund: “Er habe zuvor vergessen, seine Kunden zu befragen. Das werde ihm nicht mehr passieren.”
Und so legte er auch bei “Mehr Wirtschaft wagen” den Finger in die Wunde und erklärte den anwesenden Wirtschaftsvertretern, warum es Zeit wird zu handeln. Denn die Digitalisierung ist eben nicht nur “irgendein Trend, der bald wieder vorbeigeht”, so Depiereux. Und gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich hier ihre Vorteile zunutze machen. Sie verfügen über kurze Entscheidungswege und unternehmerische Handlungsfähigkeit, die es ihnen erlaubt, im Vergleich zu Konzernen deutlich schneller und flexibler auf sich verändernde Marktbedingungen zu reagieren. Mit einer klaren Vision und einem überzeugten Geschäftsführer könne die digitale Transformation schnell vorangetrieben werden. Insofern gilt gerade bei der Digitalisierung: Nicht nur mehr Wirtschaft wagen, sondern mehr Unternehmertum wagen!
Der digitale Wandel müsse als Chance und nicht nur als Risiko begriffen werden. Zudem sollten Familienunternehmen versuchen, das digitale Know-how, das ihnen selbst noch fehlt, durch Kooperationen – beispielsweise mit Startups – wettzumachen. Ziel sollte sein, nicht nur auf Konkurrenz und Wettkampf zu schauen, sondern auch mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten und ein eigenes Ökosystem für die Digitalisierung aufzubauen.
Das etventure Team bei “Mehr Wirtschaft wagen”
Klartext? Fehlanzeige!
Und die Politiker? Demonstrierten bei der Veranstaltung, “dass ihnen mittelständische Familienunternehmer offenbar nicht so wichtig sind”, so das vernichtende Urteil des Handelsblatt. Am konkretesten äußerte sich da noch Christian Lindner und betonte unter anderem die Bedeutung ökonomischer Bildung für das Unternehmertum in Deutschland. “Die deutsche Industrie muss bei der Digitalisierung aufwachen und aktiv werden”, appellierte Jens Spahn, Staatssekretär im Finanzministerium, und Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte: “Wir müssen an unserer eigenen Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, zum Beispiel an einem digitalen Binnenmarkt” und versprach ein Wirtschaftsprogramm der CDU, ohne allzu sehr auf die Inhalte einzugehen. Wirtschaftsministerin Zypries wiederum lobte die Innovationszentren für Industrie 4.0, welche Hubertus Porschen, Chef der Jungen Unternehmer, prompt “als von Bürokraten geführte Institutionen entlarvte.”
Von Wagnis und echtem Tatendrang war zumindest bei den Reden der Politprominenz eher wenig zu spüren. Mehr Klarheit – das forderte auch Lutz Goebel, der nach sechs Jahren Amtszeit bei “Mehr Wirtschaft wagen” seine letzte Rede als Präsident der Familienunternehmer gab. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Mittelstand bei seiner Zukunftsstrategie weniger redet und mehr macht.
Bildquellen: Anne Großmann Fotografie
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