Viele der wegweisenden Technologien unserer Zeit – beispielsweise Deep Learning – erfordern den Zugang zu riesigen Datenmengen, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Viele Länder haben erkannt, dass die Bewältigung und Verarbeitung dieser großen Datenmengen stark von den agilen Innovationsmotoren unserer Volkswirtschaften – den Startups – abhängt. Vor allem Europa hat durch die Einführung staatlich finanzierter Inkubations- und Accelerationprogramme wie dem European Data Incubator vor Jahren eine frühe Verbindung zwischen Big Data und Start-ups geschaffen. Doch wie wird die Zukunft von Big Data in Europa aussehen und welche Rolle spielen europäische Startups bei der Gestaltung einer europäischen Data Economy?
Der European Data Incubator (EDI) ist ein 8-monatiges Inkubationsprogramm für Big Data-Startups, das Datenanbieter (Unternehmen) und Lösungsanbieter (Data-Startups) zusammenbringt, um die Analyse großer Datenmengen in Europa weiterzuentwickeln und Innovation zu begünstigen. Der ehemalige Companybuilder etventure setzt unter anderem das Programm EDI um und hat gerade erst den EDI Demo Day, die Abschlussveranstaltung der zweiten Inkubationsrunde, veranstaltet.
Um dieser komplexen Herausforderung in vollem Umfang gerecht zu werden, organisiert der European Data Incubator und etventure eine virtuelle Veranstaltung, bei der die Zukunft von Big Data in Europa und die Rolle europäischer Startups diskutiert wurde, aus den Räumlichkeiten des wavespace Berlin. Einer der renommiertesten KI- und Big-Data-Experten in Europa, Fabian Westerheide, sowie die acht führenden EDI-Startups der Inkubationsphase 2019/20 gaben einen Überblick über die aktuelle Situation und tauschten eine Reihe von Aspekten und Erkenntnissen zur Bewältigung dieses drängenden Problems aus. Im Folgenden wollen wir einen Überblick über die vielen aufschlussreichen Einblicke geben und darlegen, was wir brauchen, um eine starke Data Economy in Europa zu etablieren.
Wenn man sich dem Thema Big Data annähert, führt kein Weg an seiner globalen Tragweite und seinen Entwicklungen weltweit vorbei! Aus diesem Grund stellte Keynote-Speaker Fabian Westerheide Künstliche Intelligenz und Big Data zunächst auf globaler Ebene vor. Dann konzentrierte er sich auf China, den Weltmarktführer auf diesem Gebiet, und zog Schlussfolgerungen darüber, wie China sich ständig als KI-Supermacht Nummer eins erweist. Eine zentrale Triebkraft der chinesischen Dominanz in den Bereichen KI und Big Data ist die hohe Bereitschaft chinesischer Investoren, in beide Technologien zu investieren. Mit den Worten “Chinesische Investoren sind einfach mutig” beschreibt Fabian Westerheide, wie 38% des gesamten in KI investierten Kapitals an chinesische Startups gehen. Der Einsatz innovativer Technologien wie KI in Schulen zum Beispiel zeigt, welchen Status Big Data in China generell erreicht. Auch wenn die USA vielleicht nicht den gleichen Grad der Entwicklung aufweisen wie China, ist es der Wirtschaft gelungen, ihr Startup-Ökosystem in ähnlicher Weise auf die Herausforderungen von Big Data abzustimmen. Auch weil diese Regionen jetzt ein enormes Wirtschaftswachstum verzeichnen, steht Europa unter Handlungsdruck. Werfen wir also einen genaueren Blick auf Europa.
“Wir sollten jede Angst vor der Nutzung von Daten ablegen”, erklärte Fabian Westerheide. Seiner Meinung nach hat Europa schon jetzt große Vorteile, beispielsweise durch das Fundament einer etablierten Industrie, die Vielfalt der Kulturen und einen gigantischen Wissenspool. “Man könnte sagen, dass alles bereit ist. Wir müssen nur noch richtig damit umgehen”, so Westerheide weiter. Jetzt liegt es also an uns, eine Strategie zu entwickeln und umzusetzen, die alle Möglichkeiten und Vorteile effektiv nutzt und eine offene und florierende Umgebung für Big Data, wie sie in den USA oder China entwickelt wird, sicherstellt. Nun, und hier kommen wir zu einem entscheidenden Punkt: Die Frage, wie die europäische Strategie für Big Data aussieht. Rückblickend betrachtet war Europa bisher mehr mit Risikominderung als mit der aktiven Generierung von Chancen beschäftigt. Westerheide ist überzeugt: “Regulierung sollte darauf abzielen, uns zu schützen und nicht darauf, uns klein zu halten” und fügt hinzu, dass Europa natürlich an seinem Datenschutz festhalten muss, aber in einer neuen und verbesserten Form, damit die Wirtschaft florieren kann
“Geben Sie unseren Start-ups Zeit und Kapital, um zu wachsen, bis sie wettbewerbsfähig sind”, ruft Fabian Westerheide allen zu und überlässt die Bühne den besten acht Startups des European Data Incubator (EDI). Das Startup-Ökosystem-Programm EDI fördert eine kooperativere Nutzung großer Datenmengen und einen ganzheitlichen multilateralen Ansatz für Innovation. Das EDI-Konzept treibt die digitale Transformation für größere Unternehmen voran, die auf großen Datensätzen sitzen, aber in ihren Möglichkeiten zur Entwicklung neuer digitaler Produkte eingeschränkt sind. Startups hingegen sind in der Lage, schnell zu arbeiten, Dinge einfach auszuprobieren und kontinuierlich zu innovieren. Die Kombination der Stärken beider Parteien schafft nicht nur eine erfolgreiche Partnerschaft, sondern auch nachhaltige Innovationen.
Die acht besten EDI-Startups:
- ORBEM verbessert die Lebensbedingungen mit KI-gestützter Sensortechnologie. Es ermöglicht eine nachhaltige Zukunft, in der die Nahrungsmittelproduktion so effizient ist alle Menschen zu ernähren, ohne die Ressourcen von morgen zu erschöpfen.
- Die Tvarit GmbH mit Sitz in Frankfurt hat eine KI-Plattform für Sensordatenanalyse für Smart Manufacturing, Smart Machines und digitale Transformation in der Einzelhandelsbranche entwickelt.
- Bettair Cities ist eine IoT-Plattform, die die Vorhersage der lokalen Luft- und Lärmbelastung in Städten auf der Grundlage präziser Gassensoren und eines weiterentwickelten Postprocessing-Algorithmus erleichtert – bereits an 73 Standorten in 13 EU-Ländern im Einsatz.
- Wasserjade: “Wie viel Wasser gibt es und wann wird es verfügbar sein?” Dank der Integration von In-situ-Daten, Satellitenbildern und numerischen Wettervorhersagen bietet Waterjade die genaueste Vorhersage des Wasserflusses für Städte und Länder.
- Feelingstream ist ein Analysetool für den Kundenservice großer Unternehmen, das dazu beitragen kann, Verkaufserlöse in die Höhe zu treiben und Kundeneinblicke in Echtzeit zu gewinnen. In den letzten 18 Monaten konnten sie 600,00 Stunden an Telefongesprächen transkribieren.
- Sensei: Eine Lösung, die den Einzelhandel neu definiert, indem sie die Geschäfte autonom und checkout-frei macht. Durch ein integriertes System von Kameras und KI-Algorithmen ermöglicht Sensei eine neue Ära von autonomen Geschäften.
- SMAP Energie: Die Smart Meter Analytics Platform ist eine SaaS-Lösung, die die wachsenden Menge an Smart-Meter-Daten in einen nutzbaren Geschäftswert umwandelt. Eine weitere innovative Lösung, die mit EDI gewachsen ist und jetzt weltweit anerkannt wird!
- Aindo: Ein Startup, dessen Aufgabe darin besteht, modernste Werkzeuge und Techniken der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens zur Optimierung von Geschäftsabläufen einzusetzen. Sie verbinden dabei Unternehmenserfahrung mit akademischer Exzellenz.
“Mit der Hilfe von EDI setzen wir die Kraft der Daten frei”, sagt Dr. Miguel Molina Romero, Mitbegründer des EDI-Startup-Unternehmens ORBEM. Im anschließenden Teil der Veranstaltung vermittelten uns die Pitches der verschiedenen Datenlösungen der EDI-Startups konkretere Ansätze zu Big Data und – durch die Erkenntnisse aus erster Hand – zusätzliche Aspekte zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Data Economy.
Abschließend die Erkenntnisse was eine europäische Strategie abdecken sollte:
- Die Themen “Big Data” und “KI” müssen der Öffentlichkeit stärker zugänglich gemacht werden. Die Gesellschaften sollten über diese beiden Technologien so informiert werden, dass die Angst vor dem Unbekannten abnimmt.
- Zweitens fehlt uns die notwendige Infrastruktur für den Aufbau starker Big-Data-Ökosysteme. Jedes einzelne Land und Europa insgesamt müssen ihre Investitionen in Technologien intensivieren, die einen Quantensprung in der breiten technologischen Landschaft auslösen könnten (z.B. Quantencomputing oder Fortschritte bei CPUs).
- Außerdem muss es eine Änderung der Besteuerung geben. Unternehmen wie Google und Amazon nutzen unsere Daten, zahlen dafür aber keine Steuern. Gleichzeitig verschwenden Startups einen Großteil ihrer wertvollen Zeit und Ressourcen mit unserem ausgeklügelten Steuersystem.
- Wir müssen den Markt für Talente aus der ganzen Welt öffnen. Wir müssen die klügsten Köpfe der ganzen Welt dafür gewinnen, hier zu leben und zu arbeiten.
- Und schließlich brauchen Startups Zugang zu grundlegenden Ressourcen (z.B. Daten oder Kapital). Daher sollten etablierte Unternehmen die Vorteile der Bereitstellung von Daten und Kapital für Start-ups erkennen, oder Regierungen sollten die Initiative ergreifen, z.B. über Programme zur Unterstützung von Start-ups.
Der European Data Incubator ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in der Wirtschaft neu überdenken müssen. Eine europäische Data Economy erfordert ein kollaboratives Ökosystem, das den freien Zugang zu Daten und Wissen stimuliert. “Wir sollten all die Angst vor der Nutzung von Daten ablegen!”
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